Mailand oder Madrid? Hauptsache beim Finale! Unsere Außenreporter waren fürs große Endspiel vor Ort
Marvin Ronsdorf, Unser Gastredakteur von prorevo :
Am Sonntagmorgen fühlte es sich das Ganze schon etwas surreal an. Da sitze ich zusammen mit Markus in der S-Bahn, die uns vom Flughafen wieder rein nach Berlin bringt und drum herum erwacht die Stadt.
Wir sind schon früh von Mailand wieder nach Berlin zurückgeflogen und an einem Sonntag um kurz nach 09:00 Uhr wird die Hauptstadt erst ganz langsam lebendig. Menschen steigen vereinzelt an ihren Schrebergärten aus und alles ist noch ruhig und entspannt. In diesem Moment, den Kopf nach einer kurzen Nacht noch an die S-Bahn-Scheibe gelehnt, denke ich daran, dass wir noch vor neun Stunden im San Siro in Mailand waren und Teil des größten Fußballspektakels sein durften, das der Club-Fußball zu bieten hat. Ich lächle und freu mich insgeheim, dass das leichte Dröhnen in meinen Ohren noch nicht verflogen ist – Madrider Fans sind verdammt laut und das San Siro hat eine beeindruckende Akustik.
Aber der Reihe nach: Markus und ich durften schon am Freitag auf Einladung von PlayStation nach Mailand reisen und wer kann da schon nein sagen. Also Koffer packen und ab in den Flieger. Am Freitag ging es zu den PES World Finals, der Weltmeisterschaft in Pro Evolution Soccer und wir haben anschließend ein wenig die Stadt erkundet – Pizza und italienisches Eis natürlich inklusive. Allein dafür hat es sich schon gelohnt, nach Mailand zu fliegen und man könnte mit unseren Erlebnissen Seiten füllen. Aber der Samstag ist dann nochmal spannender. Los geht’s.
Aufstehen, frühstücken, ein bisschen durch die Stadt laufen, Oliver Kahn treffen und zum großen Finale der PES World Finals fahren – so startet man perfekt in den Finalsamstag. Auf der großen Bühne des Champions-Festivals am Mailänder Domplatz wird das Endspiel ausgespielt. Dafür hatten sich am Vortrag der Brasilianer Guilherme Fonseca Agostini sowie der Franzose und amtierender PES-Weltmeister Rachid Tebane qualifiziert.
Ran an die PlayStation-Controller und los geht’s. Aber nicht irgendwie, keine taktischen Abtastversuche sondern in einem Wahnsinnstempo: Nach weniger als zehn Minuten auf dem virtuellen Rasen steht es 2:0 für den 16-jährigen Brasilianer, der die Zuschauermengen direkt auf seine Seite gezogen hat. Aber der Champion kommt zurück und bereits zur Pause steht es 3:3. Dann übernimmt der Weltmeister die 4:3-Führung, spielt aber ab der 75. Minute nur noch zu zehnt. Am Ende rettet der Franzose den Vorsprung hauchdünn ins Ziel und verteidigt als erster PES-Profi den Weltmeistertitel.
Anschließend geht es nicht nur für die beiden Finalisten in Richtung San Siro, sondern auch für uns. Schon bei der Ankunft verlieben wir uns direkt in diesen Koloss aus Stahl und Beton. 1926 erbaut, seitdem vier Mal renoviert darf das Stadion zum zweiten Mal nach 2001 das UEFA Champions League Finale ausrichten.
Im Stadion selber kam dann erneut PES ins Spiel. Denn die beiden Finalisten durften die Couch durch eine Trainerbank ersetzen und den Ball vor einigen zehntausend Zuschauern, die zu dem Zeitpunkt bereits im Stadion waren, eine Runde über das virtuelle Grün peitschen – wir würden sagen: entspannte Wohnzimmer-Atmosphäre. Nach dem Spiel durfte Rachid noch einmal den Pokal in den Mailänder Himmel stemmen und hat nun in zwei Jahren 30.000€ Preisgeld mit seinen PES-Fähigkeiten auf der PlayStation 4 verdient – kann man mal machen.
Das Stadion füllt sich zunehmend und als die Spieler zum Warmup herauskommen realisieren wir so langsam, dass wir echt zum verdammten Endspiel der UEFA Champions League da sind und auch noch im Stadion bleiben können. Das Anschließende kann man am besten mit kleinkindlicher Vorfreude beschreibe.
Toni Kroos haben wir beim Warm-Up noch kurz mit Blick auf die EM-Pläne im Sommer zugerufen, dass er sich bitte nicht verletzen möge und dann ging es auf unsere Plätze. Eine Pregame-Show im Superbowl-Stil später rollte dann endlich der Ball.
Führung für Real, verschossener Elfmeter und der Ausgleich für Atletico – ihr werdet das Spiel alle im TV gesehen haben.
Das 1:1 ist dann auch auf Seiten der Atletico-Fans Grund, die erste Ladung Pyrotechnik zu zünden und im ganzen Stadion herrscht eine knisternde Stimmung. Chancen hüben wie drüben, doch ein weiterer Treffer will nicht fallen. Wir saßen übrigens in Block 151 – tolle Plätze, aber wer baut bitteschön einen Laternenmasten neben die Eckfahne, nur um darauf eine einzelne Kamera zur Videoüberwachung des Fanblocks zu installieren? Italiener…
Kurzer Gang zum Kiosk, um die nach 90 Minuten ausgebrauchten Vorräte wieder aufzufüllen, 30 Meter Schlange und ein U-Turn direkt wieder in Richtung Tribüne. Der kleine Spaziergang hat sich aber allein dafür gelohnt, beim Anstoß einen Cristiano Ronaldo aus nächster Nähe zu betrachten, der wie ein kleiner Maikäfer am Pumpen war.
Was gehört zum ganz großen Drama? Na klar: Elfmeterschießen. Es geht also bis zum bitteren Ende und wir bekommen wirklich die volle Dröhnung Fußball. Ab hier gibt es dann nur noch Schützen, die auf einmal ganz einsam an der Sechzehnmeterraum-Kante stehen und sich überlegen, wie sie nur irgendwie diesen Ball ins Netz kriegen. Das auf unser Tor geschossen wurde passte zu einem perfekten Abend.
Den Rest kennt ihr ja schon und ich denke, dass ich nicht spoilere, wenn ich verrate, dass Real Madrid den 11. Titel der Vereinsgeschichte gewonnen hat. Das schmerzt etwas, da unser Herz doch klar für Atletico schlug, aber so ist nun einmal der Fußball. Die Explosion des Fanblocks beim entscheidenden Elfmeter von Cristiano Ronaldo aus kürzester Distanz mitzuerleben war trotzdem bombastisch: Navas betet noch immer, Ronaldo hat sich längst das Trikot vom Körper gerissen und im Block brennen die ersten Bengalos – es passiert zu viel gleichzeitig, um alles wahrzunehmen. Man starrt einfach nur und staunt und starrt und genießt.
Um 23:57 Uhr ist es dann soweit: Ramos darf als Real-Kapitän den Henkelpott gen Nachthimmel stemmen und eine absurde Menge Konfetti inszeniert das Ganze. An der Stelle würde uns mal interessieren, wie lange es am nächsten Tag gedauert hat, das alles wieder einzusammeln – Grüße an das Mailander Stadionmanagement.
Bemerkenswert ist noch, dass die Real-Spieler es fast zwanzig Minuten schaffen, nicht zu den eigenen Fans hinzugehen, sondern lieber Fotos für das Familienalbum mit der Trophäe machen. In die Pfiffe der enttäuschten Fans mischt sich unser Bauchgefühl, dass hier tatsächlich die falsche Mannschaft gewonnen hat. Irgendwann erlöst Ramos dann die Fans und so wird im Anschluss doch noch gefeiert und gesungen.
Wir machen uns langsam auf den Heimweg und stellen fest, dass wir in den zwei Tagen alles erlebt haben, was man rund um ein UEFA Champions League Finale erleben kann. Naja, fast alles. Denn eines ist uns verwehrt geblieben: Der Trophy selber einmal ganz nah zu sein. Aber nächstes Jahr findet im walisischen Cardiff ja erneut ein Finale der Königsklasse statt und man muss noch Ziele im Leben haben. Wir hoffen, dass wir die Chance bekommen, euch eine ebenso packende Snapchat-Story bieten können und zählen langsam die Tage bis zum 3. Juni 2017.
Gute Nacht, San Siro.
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