Mafia: The Old Country und die Schönheit der Unvollkommenheit

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Mafia: The Old Country und die Schönheit der Unvollkommenheit

Wir haben uns mit den Entwicklern von Hangar 13 über ihr interaktives Sizilien-Diorama unterhalten.

Selten hat es eine so authentische und atmosphärisch dicht rekonstruierte Spielwelt gegeben, wie in „Mafia: The Old Country“. Das Sizilien des frühen 20. Jahrhunderts ist Schauplatz der Geschichte um den jungen Minenarbeiter Enzo, der seinem Sklavenjob beim Abbau von Schwefel entkommt, um auf dem idyllischen Weingut von Don Torrisi zu landen. Auf den ersten Blick ein Tausch, der ihm nur Vorteile bietet: Der Tisch ist immer reich gedeckt, es gelingt ihm, sich nach und nach die Gunst seiner Dienstherren zu erarbeiten und schließlich wirft auch noch die Tochter des Don ein Auge auf ihn. Natürlich wissen wir von Anfang an, dass er sich damit direkt in die Fänge der örtlichen Mafia begibt und das vermeintliche Dolce Vita eher einem Tanz auf der Rasierklinge, oder passender: der Klinge eines sizilianischen Stiletto, gleichkommt.

Mafia – The Old Country: Eine Reise ins historische Sizilien

Wie das Team von Hangar 13 den Weg Enzos in die Kriminalität nachzeichnet, ist großes Kino. Von Handlangerjobs und kleinen „Gefälligkeiten“ über die Einschüchterung unwilliger Schuldner bis hin zur ersten Leiche und zur Aufnahme in den Kreis der „Ehrenmänner“ – das ist genau die Mafia-Karriere, wie sie von jenen beschrieben wird, die sie tatsächlich durchlaufen haben. Den Hintergrund der Geschichte bildet ein erstaunlich stimmungsvolles und lebendiges Diorama des Lebens im Süditalien des frühen 20. Jahrhunderts. Am liebsten würde man sich sofort abseits der Haupthandlung frei durch diese fantastische Landschaft voller Postkartenmotive bewegen, wird aber immer wieder an seine Pflichten gegenüber der „Familie“ erinnert. Um die Schauplätze, die Landschaft sowie die typische Architektur der Region so realistisch wie möglich darstellen zu können, bereiste das Team die süditalienische Insel für eingehende Recherchen.

Mafia: The Old Country – Mafia-Mythen und was dahintersteckt

Lokale Identität und innere Logik

„Der Besuch in Sizilien hat uns tief beeindruckt und unsere Herangehensweise an die Gestaltung der Spielwelt geprägt“, berichten die Macher. „Die Architektur der Insel erzählt eine vielschichtige Geschichte, die sich über Jahrhunderte der Eroberung, Migration und Widerstandsfähigkeit entwickelt hat. Wir waren fest entschlossen, keine oberflächliche Nachahmung einer glamourösen mediterranen Kulisse zu präsentieren. Stattdessen wollten wir, dass jeder Ort im Spiel authentisch, spezifisch und individuell wirkt.“ Man habe sich auf die Idee konzentriert, dass die Schönheit dieser Orte oft in ihrer Unvollkommenheit liege, eine Philosophie, die das spezifische Environmental Storytelling des Spiels geprägt habe. „Die Orte wurden nicht einfach nur hübsch oder stimmungsvoll gestaltet, sondern so gebaut, dass sie sich lebendig anfühlen, mit einer eigenen lokalen Identität und inneren Logik. Wir haben uns gefragt: Wer hat das gebaut? Wer hat es verändert? Wer hat es repariert und wer konnte sich eine ordentliche Reparatur nicht leisten?“

Zu den im Vorfeld hochkochenden Debatten um eine vermeintliche Open-World-Struktur, bleibt festzustellen: „Mafia: The Old Country“ ist kein „Assassin’s Creed“, in dem es unzählige Sidequests und Sammelaufgaben zu erledigen gibt. Das Spiel versteht sich eher als interaktiver Spielfilm, in dem man allerdings viel mehr ist als nur ein passiver Beobachter. Es gilt, spannende Stealth-Missionen zu absolvieren und knallharte Messerfights zu überstehen, Pferde- und Autorennen zu bestreiten, und schließlich sind da noch diverse an „Red Dead Redemption“ erinnernde Shootouts mit Gewehren und Handfeuerwaffen. Ein motivierendes, aber nicht allzu komplexes RPG-System hilft dabei, Enzo auf kommende Aufgaben vorzubereiten. Auf dem Weg zwischen den Schauplätzen, den man stilecht zu Pferd oder im Oldtimer zurücklegt, kann man beim Chefmechaniker und Waffenhändler des Torrisi-Klans Stopps einlegen, um neue Fahrzeuge, Waffen und Skins für das verdiente oder eingesammelte Geld zu kaufen.

Dem Team von Hangar 13 gelingt es dabei immer wieder, eine beträchtliche Fallhöhe aufzubauen, die einen an den Bildschirm fesselt wie eine Top-Serie auf Netflix & Co. Ein gutes Beispiel ist die Episode, in der Enzo sich sehr weit aus dem Fenster lehnt und für den Don ein Pferderennen bestreiten muss. Unter den Augen des Obermafioso und der schönen Isabella, vor der er sich natürlich keinesfalls blamieren will, geht der wilde Ritt durch die steinigen Gassen einer sizilianischen Kleinstadt. Hier wird die Kunst der Entwickler offensichtlich, narrative Elemente auf unwiderstehliche Art mit dem Gameplay zu verknüpfen. Die daraus entstehende Immersion, die auch schon die ersten „Mafia“-Teile auszeichnete, wird in „Mafia: The Old Country“ regelmäßig auf die Spitze getrieben.

Rituale, Codes und Hierarchien

Die Grundidee, die Frühgeschichte der sizilianischen Mafia aufzugreifen, bietet dafür eine perfekte Leinwand. „Der Mythos der Mafia basiert auf Geheimhaltung, Gefahr und einem kunstvoll inszenierten Bild von Legitimität und Autorität“, erläutern die Entwickler. „Es handelt sich um eine selbst geschaffene Erzählung, die durch Rituale, Codes und Hierarchien geprägt ist und der Mafia hilft, die Kontrolle zu behalten und gleichzeitig die Faszination der Öffentlichkeit zu wecken, sei es durch die Nachrichten oder die Populärkultur.“ Aus der Perspektive des Geschichtenerzählens ermögliche das Thema, „Kriminalität, Gefahr, Macht und moralische Ambivalenz aus sicherer Distanz zu betrachten und das Publikum dazu anzuregen, darüber nachzudenken, wie Macht, Loyalität und Moral in zutiefst menschlichen Beziehungen zum Tragen kommen.“ Im Falle der Mafia komme noch die Anziehungskraft von Loyalität, langjähriger Tradition und einer brutalen, aber prinzipientreuen Ordnung hinzu.

Auch abseits der in rund 15 Stunden zu bewältigenden Haupthandlung gibt es viel zu entdecken. Nicht nur wegen der überall versteckten Items und der vielen liebevollen Details lohnt es sich, die Schauplätze genauer zu erkunden. Immer wieder finden sich Artefakte, Heiligenstatuen, die bestimmte Boni verleihen, aber auch Zeitungsausschnitte und andere Dokumente, die über die sizilianische Historie und Kultur informieren. Viele davon bieten optische Bonbons oder kleine Geschichten innerhalb der Haupthandlung, aus denen nach und nach ein digitales Mafia-Museum entsteht. Damit der Handlungsfluss dadurch nicht allzu sehr unterbrochen wird, kann man diese Informationen unterwegs sammeln und dann jederzeit in aller Ruhe im Pausenmenü abrufen.

Eintauchen in die Geschichte

Bei aller Authentizität legen die Entwickler wert auf die Feststellung, dass die handelnden Personen fiktiv sind. „Wir haben zwar umfangreiche Recherchen zu dieser Zeit, dem Schauplatz und der Geschichte des organisierten Verbrechens durchgeführt, aber es gab keine direkten realen oder fiktiven Vorbilder für die Charaktere. Bestimmte Eigenschaften, Elemente oder Hintergrunddetails spiegeln möglicherweise wider, was wir gelernt haben, aber jeder Charakter wurde speziell für die Anforderungen unserer Geschichte geschaffen.“ Dennoch werden Kenner der Serie auf den einen oder anderen bekannten Namen stoßen, und natürlich sind Handlung und Motive von einer Vielzahl von Büchern, Filmen und Serien inspiriert, die es zum Thema Organisiertes Verbrechen gibt.

Mafia: The Old Country: Filmische Wurzeln der sizilianischen Cosa Nostra

Übrigens tauchte in „Mafia II“ auch bereits die frei erfundene, dennoch typisch sizilianische Kleinstadt San Celeste auf. Es ist jenes idyllische Örtchen, das Vito Scaletta in Kapitel 2 als US-Soldat auf den Händen der Wehrmacht und der italienischen Faschisten befreit. Ein direkter Vergleich belegt eindrucksvoll, was sich in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten in Sachen Spielgrafik getan hat. Wer tiefer in die Geschichte eintauchen will, sollte die oft mehrere Minuten dauernden Ritte beziehungsweise Fahrten von einem Ort zum anderen keinesfalls skippen. Denn zwischen Enzo und seinen Begleitern entwickeln sich interessante Dialoge, die mehr über die Hintergründe der Figuren verraten und die Charakterzeichnung vertiefen.

Doch welchen Bezug haben die Entwickler von Hangar 13 zum Thema Mafia im Allgemeinen und zu Sizilien im Besonderen? „Der Großteil unseres Teams stammt tatsächlich aus Europa! Wir haben Studios in Brighton und Tschechien und blicken auf eine 22jährige Geschichte zurück, in der wir Geschichten über die Mafia erzählt haben.“ Dieses Fachwissen sei auch in „Mafia: The Old Country“ eingeflossen, die zum Geburtsort des organisierten Verbrechens und damit auch der „Mafia“-Reihe führe. Denn ohne die sizilianische Mafia sind deren amerikanische Ableger, sind Al Capone, die legendären „Fünf Familien“ von New York City, aber auch all die fiktiven Corleones und Sporanos nicht denkbar. „Das im Titel erwähnte „alte Land“ wird in der gesamten „Mafia“-Reihe immer wieder erwähnt und bildet die historische Grundlage, auf der die gesamte Reihe aufgebaut ist,“ erläutern die Entwickler.

In der Weite der realen sizilianischen Landschaft

Und welche Eigenschaften der Landschaft haben die Entwickler besonders fasziniert? „Bevor wir Sizilien besuchten, hatten wir ein ziemlich enges Bild im Kopf: sonnenverbrannte goldene Hügel, Olivenhaine und ein zerfallenes Dorf auf einer Klippe. Aber als wir dort ankamen, waren wir von der Vielfalt der Landschaft überwältigt. Das war einer der überraschendsten und kreativsten Aspekte der Reise.“ Die weiteren Erläuterungen zum Entstehungsprozess von „Mafia: The Old Country“ geben einen spannenden Einblick in die tiefe Verbindung, die zwischen den Schauplätzen und der inneren Struktur von Videospielen besteht. „Die Weite der realen sizilianischen Landschaft gab uns die Freiheit, mutigere Entscheidungen in Bezug auf Design und Storytelling zu treffen. Anstatt eine homogene Kulisse zu schaffen, haben wir uns direkt von dieser ökologischen und geologischen Vielfalt inspirieren lassen, um Regionen zu gestalten, die sich visuell unterscheiden und emotional ansprechen. Jeder Bereich ist nicht nur ein anderes Biom, sondern ein Raum mit einer eigenen Stimmung und einem eigenen Erzählton.“

Nimmt einen das Spiel im Verkauf der Haupthandlung recht eng an die Leine, hat man nach Abschluss der Story die Möglichkeit, sich in der „Freien Fahrt“ in der gesamten Welt bewegen. Und das lohnt sich auch unabhängig davon, dass man dabei beim ersten Mal übersehene Artefakte einsammeln kann. „Ähnlich wie in „Mafia: Definitive Edition“ und „Mafia II“ können die Spieler zwischen den Missionen umherstreifen und in das Sizilien der frühen 1900er Jahre eintauchen – sie sehen Bauern bei der Feldarbeit, Tiere, die auf den Hügeln grasen, und vieles mehr“, so die Entwickler. Details, Licht- und Schatteneffekte sowie die Weitsicht sind auf der PS5 in der Tat beeindruckend. Auf der PS5 Pro werden zwei Performance-Varianten angeboten, zwischen denen man jederzeit nahtlos wechseln kann. Für alle, die den meisten Wert auf die Grafikqualität legen, gibt es den Qualitätsmodus mit dem Fokus auf Details in stabilen 30 fps. Die Leistungs-Variante bietet durchgängig 60 fps, sowohl beim Durchqueren der Welt als auch bei allen übrigen Spielszenen. Bleibt abschließend nur noch festzuhalten: Mehr Authentizität geht einfach nicht!

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