
Film- und Serienklassiker, die das Genre geprägt und „Mafia – The Old Country“ inspiriert haben.
Fast genauso verzweigt wie die Netzwerke der echten Mafia sind auch die Spuren, die die „ehrenwerte Gesellschaft“ in Filmen und Serien hinterlassen hat. Laut Game Director Alex Cox ist es das Hauptziel jedes „Mafia“-Games, die Spieler Teil eines klassischen „Mob Movie“ werden zu lassen. Nun ist jedes Kunstprodukt immer auch ein Spiegel seiner Zeit, hebt andere Blickwinkel hervor. Francis Ford Coppolas „Der Pate“, die großen Mafia-Epen eines Martin Scorsese wie „GoodFellas“ oder „Casino“ sowie Serien wie „Sopranos“ zeigen vor allem die amerikanische Perspektive auf das Phänomen.
Wie schon der Gameplay-Trailer eindrucksvoll zeigt, führt „Mafia – The Old Country“ zurück zu den Ursprüngen der sizilianischen Cosa Nostra im 19. Jahrhundert. Naturgemäß ist das ein Gebiet, auf dem sich italienische Regisseure und Regisseurinnen am besten auskennen. Zwar greifen sie auf Motive und Stilmittel zurück, die ihren Ursprung in Hollywood haben. Und doch zeichnet ihre Arbeit eine besondere Authentizität und historische Genauigkeit aus, die sich auch Alex Cox und sein Team zum Vorbild genommen haben. Unsere kleine Auswahl ist diesbezüglich eine Spurensuche. Und die erste Spur führt, wie könnte es anders sein, in die Neue Welt, in das Amerika des 1892 auf Sizilien geborenen Vito Corleone.
Welcher Mafia Typ bist du? Finde es heraus
Benvenuto! Die Straßen von ‚The Old Country‘ sind rau und nur die Klügsten, Stärksten oder Gerissensten überleben. Hast du das Zeug dazu, in der Famiglia aufzusteigen? Finde heraus, welcher Typ Mafioso wirklich in dir steckt! Antworte ehrlich… oder was du dafür hältst.
Wie alles anfing: Der Pate aller Paten

Klar, „Der Pate“ (The Godfather, 1972) ist ein amerikanischer Film. Doch er hat direktere Bezüge zu den italienischen Ursprüngen, als man auf den ersten Blick denkt. Top-Regisseure wie Peter Yates oder John Frankenheimer hatten es abgelehnt, bei der Verfilmung des Bestsellers von Mario Puzo die Regie zu übernehmen. Das Argument: Das Buch glorifiziere die Mafia. Francis Ford Coppola wurde schließlich wegen seiner italienischen Wurzeln ausgewählt. Das würde, so die Hoffnung, die italienische Community besänftigen, falls diese sich von dem Projekt diskriminiert fühlen sollte. Die Notlösung stellte sich als echter Glücksfall heraus. „Er wusste, wie diese Männer essen, wie sie sich umarmen und küssen, wie sie reden. Den ganzen Scheiß kannte er“, so Robert Evans, Vizepräsident bei Paramount und Produzent von „Der Pate“.
Coppola setzte sich außerdem mit dem Wunsch durch, statt des organisierten Verbrechens die Familiengeschichte der Corleones zu erzählen. Ein genialer Kniff, um die Geschichte der Mafia in Form einer Nahaufnahme zu erzählen, ohne ihre Taten zu verherrlichen. Schließlich hat jeder eine Familie und die Erfahrung gemacht, dass man sich mit ihr wohl oder übel irgendwie arrangieren muss, oder? Auch Evans’ Plan ging auf: Die Italoamerikanische Bürgerrechtsliga ließ sich durch Coppolas Zusicherung von größeren Protesten abhalten, dass im Film weder von „Mafia“ noch von der „Cosa Nostra“ die Rede sein würde.
Trotzdem – oder gerade deswegen – hat die „Der Pate“-Trilogie das Genre und die Vorstellungen von der Mafia geprägt wie kein anderes Werk. Eine Serie wie die „Sporanos“ ist ohne Vito & Co. undenkbar. Wie sehr sich Coppola um Authentizität bemüht hat, zeigt ein Motiv, das sich mehrfach auch in „Mafia – The Old Country“ wiederfindet. In der Szene vom Tod Vito Corleones am Ende von Teil eins sind neben ihm auf dem Tisch ein Messer und Zitrusfrüchte zu sehen. Corleone steckt sich ein Stück davon in den Mund, um seinen Enkel zu erschrecken – ein versteckter Hinweis auf die Herkunftsgeschichte der Mafia, die nachweislich Mitte des 19. Jahrhunderts im Umfeld der Orangen- und Zitronenfarmen um Palermo entstanden ist.

Diesem geschichtlichen Hintergrund widmet sich „Der Pate II“ (1974), der in Rückblenden Vitos Leben mit Robert de Niro in der Rolle des jungen Corleone erzählt. Die Darstellung des Alltags und der Landschaft Siziliens wirkte stilbildend für alle späteren Mafia-Filme und kann auch als eine der Hauptinspirationen für „Mafia – The Old Country“ herhalten: die Kontraste zwischen Stadt und Land, von üppiger Schönheit und bitterer Armut, den tristen Dörfern und den blühenden Gärten der Großgrundbesitzer und der Kriminellen, mit denen sie im Bunde sind.
Erzählt wird eine fiktive Familiengeschichte, und doch ist Coppola sehr präzise in seiner Beschreibung dessen, was die Mafia in ihrem Kern charakterisiert. So bittet Vitos Mutter den örtlichen Don, der gerade ihren Mann hat ermorden lassen, um Gnade für ihren Sohn. Dieser sei geistig zurückgeblieben und werde daher sicher auch keine Rache üben, sobald er erwachsen sei. Doch das entspricht weder dem Denken des Don noch der DNA der Mafia. Potenzielle Gefahren werden auf jeden Fall ausgeschaltet, so etwas wie Gnade gibt es im Wertesystem des organisierten Verbrechens nicht.
Tarantino und die „Poliziotteschi“ der 70er

In den 70er-Jahren standen italienische Mafia-Thriller im Kino hoch im Kurs. Dazu gehört „Camorra – ein Bulle räumt auf“ (1976) von Umberto Lenzi, der von Martial Arts-, Horror- und Kannibalen-Film alle gängigen Genres bedient hat, oder Reißer mit kongenialen deutschen Titeln wie „Kaliber 38 – Genau zwischen die Augen“ (1976) von Massimo Dallamano. Ein typisches Werk dieser Zeit ist auch „Tote Zeugen singen nicht“ (1973) mit Franco Nero und dem Spanier Fernando Rey, den man bei uns vor allem aus den „French Connection“-Filmen kennt. Der Streifen trägt im Original einen Titel, der eine für das Genre typische politische Botschaft transportiert: „La polizia incrimina la legge assolve“ heißt so viel wie „Die Polizei klagt an, das Gesetz spricht frei“.
Aus der Masse heraus ragt „Der Teufel führt Regie“ (1977), der im Original schlicht und ergreifend „Il Boss“ heißt. Der 1932 geborene Italiener Fernando Di Leo ist am besten mit dem Begriff Kult-Regisseur beschrieben. Er verfasste die Drehbücher zu einer ganzen Reihe von Italowestern, unter anderem jene zu den legendären Django-Filmen, ebenfalls mit dem in dieser Zeit vielbeschäftigten Franco Nero. Als Regisseur tobte sich aicj Di Leo quer durch die Genres aus, mehrere Mafia-Filme gehen auf sein Konto. In „Der Teufel führt Regie“ geht es um einen mit martialischsten Mitteln ausgetragenen Konflikt zwischen zwei Mafia-Clans, bei dem ein Auftragskiller, gespielt vom legendären Henry Silva (ein US-Amerikaner mit puerto-ricanischen Wurzeln) eine unrühmliche Rolle spielt.
„Il Boss“ ist aus mehreren Gründen typisch für das Genre der „Poliziotteschi“, das zwischen den späten 60ern und frühen 80ern entstandenen italienische Mafiafilme bezeichnet. Man kann sie grob dem Exploitation-Kino zuordnen, mit tiefschürfenderen Auseinandersetzungen mit dem Thema wie sie etwa Lina Wertmüllers „Camorra“ (1986) bietet, haben sie wenig gemein. Charakteristisch ist der Grundtenor, dass Staat und Polizei vor dem organisierten Verbrechen kapituliert haben und die Mafiosi alles unter sich ausmachen. Das mag sich fatalistisch anhören, spiegelt aber wohl weitgehend die Realität wider.

Das Genre ist komplett auf harte Action und wilde Shootouts angelegt, denen von Seiten der Story Plausibilität verliehen wird. Eine Erbe, das auch die Entwickler von „Mafia – The Old Country“ aufgreifen und damit Immersion erzeugen. Schwarzhumorige Elemente finden sich ebenfalls, und es verwundert nicht, dass sich Quentin Tarantino als flammender Poliziotteschi-Fan geoutet hat. Wer etwas genauer hinschaut, erkennt in den Filmen eine wichtige Quelle für Motive, die sich später auch in amerikanischen Produktionen wiederfinden. Der Austausch, das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen, war also von jeher ein beidseitiger. Im Falle von „Mafia – The Old Country“ ist es insbesondere der von Game Director Alex Cox erwähnte „life or death vibe“ dieser Filme, der vorbildlich für das Game war.
Allein gegen die Klischees: Die 80er-Jahre

Mitte der 80er-Jahre brachte der staatliche italienische TV-Sender Rai Uno Mitte der 80er-Jahre mal eben die bis dato beste Mafia-Serie auf die heimischen Bildschirm. „Allein gegen die Mafia“ (1984-2001) räumte im Alleingang viele verstaubte Mafia-Klischees ab und beweist, dass es schon vor Tony Sopranos & Co. echtes Qualitätsfernsehen gegeben hat. Ursprünglich angelegt auf nur sechs Folgen, brachte es die Reihe auf zehn Staffeln und gilt bis heute als „definitive italienische Serie über den Kampf gegen die sizilianische Mafia“. Die große Authentizität der Serie ist ein wesentlicher Grund dafür, dass sie selbst nach vier Jahrzehnten fasziniert und kaum etwas an Relevanz eingebüßt hat.
Commissario Corrado Cattani, gespielt von Michele Placido, wird aus Norditalien in den Süden versetzt, um den Mord an einem Kollegen aufzuklären. Die Serie zeichnet ein sehr authentisches Bild der Mafia, indem sie die praktisch unauflösbaren politischen und sozialen Verstrickungen von „La Piovra“ (Originaltitel, dt. „Krake“) beschreibt. Auch hier steht der Kontrast zwischen echter Familie und Gangsterfamilie im Mittelpunkt. Cattani hat mit Eheproblemen zu kämpfen, die superreichen Großgrundbesitzer-Dynastien sind nach Jahren der Herrschaft über Sizilien von Korruption und Schuld zerfressen.

Wieder etwas näher zu den Ursprüngen führt „Der Sizilianer“ (1987), der noch immer eine große Fangemeinde hat. Wie „Der Pate“ basiert die ziemlich dick aufgetragene Geschichte auf einem Roman von Mario Puzo und hat das Leben des legendären sizilianischen Banditen Salvatore Giuliano zum Thema. Giuliano selbst war kein Mafioso, doch die Cosa Nostra spielt auch hier ihre unrühmliche Rolle. Auch wenn der Film die Person Giulianos gnadenlos überhöht und idealisiert, macht er doch deutlich, dass die Mafia auch in den 40er- und 50er-Jahren allgegenwärtig war und glänzt mit Postkartenansichten des klassischen Sizilien, die sich auch in „Mafia – The Old Country“ wiederfinden.

„Der Sizilianer“ ist eine Mischung aus Gangsterfilm und Robin-Hood-Ballade, im Grunde aber ein uramerikanischer Western, der kurzerhand nach Sizilien verfrachtet wurde. Der damals sehr populäre Christopher Lambert bestreitet den Film mit ungefähr zwei Gesichtsausdrücken, umso mehr tut sich der junge John Turturro („The Big Leboswki“, „Severance“) als Giulianos Sidekick Pisciotta hevor. Regisseur Michael Cimino versenkte seine Karriere nach dem legendären „Heaven’s Gate“-Flop aus dem Jahr 1980 endgültig, was angesichts der unbestreitbaren Qualitäten des Films doch etwas ungerecht erscheint.
Die große Zäsur ab den 90er-Jahren

Am 23. Mai 1992 wurde Richter Giovanni Falcone, der sich in den 80er-Jahren dem Kampf gegen die Mafia verschieben hatte, bei einem von der Cosa Nostra initiierten Anschlag getötet. Damit änderte sich auch der Grundton der meisten Mafia-Filme, die sich um mehr historische Wahrhaftigkeit bemühten. Beispiele dafür sind „Giovanni Falcone – Im Netz der Mafia“ (1993) oder „Falcone – Im Fadenkreuz der Mafia“ (interessanter Originaltitel: „Excellent Cadavers“, 1999). Beide Filme behandeln das Leben und Wirken Falcones und beschreiben die brutalen Auseinandersetzungen mit der Cosa Nostra in Sizilien. Thematisiert werden auch andere zentrale Figuren wie Totò Riina und Tommaso Buscetta.
Dem „echten“ Corleone, geboren unter dem Namen Totò Riina, widmet sich die Miniserie „Corleone“ („Il Capo dei Capi“, 2007). Er war 19 Jahre lang das Oberhaupt der „Corleonesi“, eines Clans aus der legendären Mafia-Hochburg Corleone. 1993 wurde er verhaftet und es kam heraus, dass er mehrere Jahre völlig unbehelligt in der sizilianischen Hauptstadt Palermo gelebt hatte. Tommaso Buscetta ist die Hauptfigur von „Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra“ (2019). Buscetta alias „Don Masino“ ist eine der schillerndsten Figuren des Mafia-Kosmos. Unter dem Druck seiner einstigen Komplizen entschloss er sich, als „Traditore“ (Verräter) gegen die Schweigepflicht der „Omertà“ zu verstoßen und Anfang der 80er-Jahre in einer Reihe großer Mafia-Prozesse auszusagen.
Der Film von Marco Bellocchio setzt sich explizit vom amerikanischen Einfluss auf das Genre ab und nennt Gianfranco Rosis „Wer erschoss Salvatore G.“ aus dem Jahr 1962 als größten Einfluss. „Es ist durch und durch ein italienischer Film, er erzählt seine Geschichte über die Mafia ohne Verweise auf das amerikanische Kino“, betont er in einem Interview. „Für mich ist das bis heute der absolute Referenzfilm, wenn es um das Genre des italienischen Mafiafilms geht. Und das wollte ich auch in meinem Film erreichen. Ich habe versucht, den spezifisch italienischen Charakter der Mafia darzustellen.“ Herausgekommen ist ein Meisterwerk, das neben der „Der Pate“-Trilogie und dem einen oder anderen „Poliziotteschi“-Bonbon ein idealer cineastischer Begleiter zu „Mafia – The Old Country“ ist.
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