Die Entwickler Guard Crush Games, LizardCube und DotEmu sprechen über die Herausforderungen bei der Neuinterpretation des Beat-’em-up-Klassikers für PS4
Gillen McAllister, Senior Specialist, Content Communications, SIE:
Hier ist ein Satz, von dem ich nie gedacht habe, dass ich ihn 2020 schreiben würde: Morgen erscheint ein neues Streets of Rage.
Warum diese Überraschung? Nicht nur, weil 26 Jahre seit dem letzten Ableger vergangen sind, sondern, weil die Original-Trilogie des Sidescroller-Beat-’em-ups damals wie ein Blitz in einer Flasche war. Sie wurde seinerzeit zu Recht gefeiert und wird seitdem von Genreliebhabern verehrt. Wie könnte ein modernes Studio hoffen, die Serie wiederzubeleben, den Zauber erneut einzufangen?
Wie sich herausgestellt hat, kann ein einziges Studio das nicht. Drei dagegen schon eher. Guard Crush Games (die 2015 mit Streets of Fury eine Liebeserklärung an das Genre kreiert haben und die mit der Programmierung von Streets of Rage 4 betraut wurden), LizardCube (verantwortlich für die umwerfende visuelle Überarbeitung des Remakes von Wonder Boy: The Dragon’s Trap von 2017) und DotEmu (ein Studio aus Paris mit viel Liebe für Retrospiele, das sich um das Spieldesign und die allgemeine Produktion gekümmert hat) brachen gemeinsam zu einer dreijährigen Reise auf, um Streets of Rage für ein PS4-Publikum neu aufzulegen.
Um die Geschichte hinter dem womöglich überraschendsten Retro-Revival dieser Generation zu ergründen, habe ich verschiedene Leute kontaktiert, die an der Entwicklung beteiligt waren.
Executive Producer Cyrille Imbert und Lead Game Designer Jordi Asensio von DotEmu, Art Director Ben Fiquet von LizardCube und Technical Director Cyrille Lagarigue von Guard Crush Games sowie der Komponist Olivier Derivière nahmen sich in den letzten Tagen vor der Veröffentlichung des Spiels freundlicherweise die Zeit, uns einen Einblick in die gemeinschaftliche Natur des Projekts zu geben.
Die Erhaltung eines klassischen Erbes
Diese Serie ist aus so vielen Gründen sehr beliebt. Das Gameplay, die Musik und die Designs sind Kult. Jeder Entwicklungsentscheidung musste wohl sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt werden. Bei welchem Aspekt war der Druck am höchsten?
Asensio: Bei wirklich jedem Aspekt. Die Originalspiele sind so gut ausgearbeitet, dass kein Aspekt ungeschliffen bleiben kann. Was mich betrifft, habe ich versucht, den Leuten Spaß ab der ersten Minute zu bereiten und gleichzeitig ein tiefgründiges System aufzubauen, das Interesse am Spiel weckt und dazu einlädt, es immer wieder zu spielen.
Lagarigue: Bei der Gesamtdynamik der Kämpfe, sodass sie flüssig und strategisch, aber trotzdem schnittig daherkommen.
Imbert: Ein bisschen von allem. Aber das Spielgefühl, die tatsächliche Festlegung verschiedener Aspekte – der Entwurf, die Animationen und die Reaktivität etwa – war definitiv etwas, das wir auf den Punkt bringen mussten. Auch die Musik sollte unbedingt passen.
Streets of Rage ist offensichtlich sehr einzigartig in Erscheinung und Spielgefühl. Wie sehr hat sich das Spieler- oder auch das Entwickler-Feedback auf die finalen Level- und Charakterentwürfe ausgewirkt?
Asensio: Tatsächlich haben wir viel mit Hardcore-Fans gesprochen und enormes Feedback und großartige Ideen von ihnen erhalten.
Jedes Event, auf dem wir eine Demo zeigen konnten (wie die PAX), war eine Goldmine. Dank dieses Feedbacks haben wir viel verändert, hinzugefügt und ausbalanciert. Freudige Mienen und Lob haben natürlich auch sehr geholfen, uns auf unsere Arbeit zu konzentrieren.
Fiquet: Vor dem Produktionsstart habe ich sehr viel recherchiert, was schon alles zu Streets of Rage gemacht wurde. Dokumente zum Spieldesign, Interviews mit den Entwicklern, eingehende Videoanalysen, von Fans entwickelte Spiele, sogar Fan-Art. Das hat mir dabei geholfen, mir ein Gesamtbild der Serie zu machen.
Neuinterpretation von Streets of Rage 2020
Hat sich Streets of Rage 4 gegenüber seinem ursprünglichen Konzept stark weiterentwickelt, oder gab es von Anfang an eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie es sein soll?
Asensio: Wir wollten von Anfang an, dass es ein ziemlich geradliniges Beat-’em-up ohne ausgefallene moderne Trends wird. Einfach ein gutes klassisches Beat-’em-up. Im Verlauf der Spielentwicklung fanden wir Platz für Verbesserungen: Wir sorgen für mehr Spaß und schufen moderne Lösungen, um alte Frustrationen zu vermeiden, ohne je die Wurzeln des Spiels aus den Augen zu verlieren.
Imbert: Die Idee war für jeden kristallklar: Wir wollten ein großartiges Beat-’em-up-Spiel schaffen. Etwas Echtes, Einfaches und Effizientes. Etwas, das mit seinem Vorgänger im Einklang steht, aber mit einem modernen Ansatz.
Könnt ihr die modernen Erweiterungen der klassischen SoR-Gameplay-Formel und deren Beweggründe noch etwas genauer erläutern?
Asensio: Es sind kleine Dinge (die aber einen großen Unterschied machen) wie die Verkleinerung der Hitbox-Tiefe beim Auf- und Abbewegen des Spielercharakters, sodass ihr wirklich ausweicht, wenn ihr ausweichen wollt. Und größere Dinge, wie zum Beispiel in SoR2: War man umzingelt, konnte man einen Spezialmove ausführen, bekam dafür aber ein wenig Gesundheit abgezogen. Es war besser, als getroffen zu werden, aber fühlte sich trotzdem irgendwie falsch an, für eine gute Entscheidung Gesundheit zu verlieren. In SoR3 wurde eine Leiste für die Abklingzeit hinzugefügt, die einen Spezialmove ohne Abzug ermöglichte.
Wir haben wieder was anderes probiert. In SoR4 verliert ihr ein wenig Gesundheit, die ihr durch das Treffen von Gegnern im Kampf aber wiederlangen könnt – werdet ihr jedoch in der Zwischenzeit getroffen, ist die Gesundheit endgültig verloren. Das ermöglicht einige aggressive Spielstile, bei denen viel Leben riskiert wird, um riesige Kombos zu erreichen. Andere Spieler werden es wiederum bevorzugen, Spezialangriffe klüger einzusetzen …
Wir haben auch starke „Star”-Moves hinzugefügt, die den alten „Polizeiruf” ersetzen. Der Polizeiruf ist eine „Clear Screen”-Mechanik und obwohl sie Spaß macht, wollten wir etwas, dass unserer Gameplay-Schleife mehr entspricht.
Jetzt müsst ihr etwas mehr nachdenken, um euren Star-Move auszuführen, da er sich nur auf einen bestimmten Bereich des Bildschirms auswirkt, der vom jeweiligen Charakter abhängig ist. Er kann euch vor einer Menge Gegnern retten (eine Art Notfallverteidigungsmechanismus) oder die Länge einer Kombo ausweiten. Das hilft euch, für Spezialmoves investierte Gesundheit zurückzubekommen und den Schaden beispielsweise auf einen Boss zu konzentrieren.
Lagarigue: Unser Ziel war es, den Spielern mehr Spielfreiheit einzuräumen.
Wir haben die Regeln des Hauptmodus (Story-Modus) so geändert, dass der Spieler wieder am Anfang der jeweiligen Stufe startet, wenn alle Leben aufgebraucht sind. Außerdem könnt ihr im Tausch gegen eine reduzierte Punktzahl Unterstützung (mehr Leben, Star-Moves usw.) erhalten, wenn ihr feststeckt.
So kann jeder die Kampagne beenden, sich aber auch an einem höheren Schwierigkeitsgrad versuchen, mit der Absicherung im Hinterkopf, dass Hilfe möglich ist, wenn man nicht mehr weiterkommt. Dann könnt ihr in jedem Level trainieren und eure Punktzahl verbessern oder ganz oldschool den Arcade-Modus ausprobieren. Das Ziel bestand also darin, die Herausforderung zu erhalten und gleichzeitig das Spiel leichter zugänglich zu machen.
Neue Charaktere erstellen …
Wie viele Verwandlungen haben Cherry Hunter und Floyd Iraia in Bezug auf Design und Kampfstil durchlaufen, bevor ihr euch auf ihre endgültigen Versionen geeinigt habt?
Asensio: Normalerweise machen wir ein Kick-off Meeting, bei dem wir den allgemeinen Stil und das Gameplay jedes Charakters diskutieren. Danach gehen wir Schritt für Schritt ins Detail, um die Funktion der Bewegung zu bestimmen und vielleicht eine passende Pose zu finden.
Dann liegt es an Ben [Fiquet, Art Director bei Lizardcube], seine Magie wirken zu lassen. Manchmal werden Bewegungen verändert, weil Ben visuell etwas Cooles findet, das ins Gameplay passen könnte (oder auch nicht), aber am Ende beeinflusst die Animation das Gameplay und umgekehrt – wir finden also immer eine gemeinsame Basis.
Für Cherry Hunter bedurfte es mehrerer Durchläufe, um ihre Bewegung mit bloßen Händen und die Bewegung mit der Gitarre auszubalancieren. Wir haben die Regler für die Bewegung mit bloßen Händen auf das Maximum gestellt, sodass es sich schnell und flink anfühlt, während die Bewegungen mit der Gitarre langsam und kraftvoll wirken, mit großem Wirkungsbereich und Effekt.
Fiquet: Grafisch gesprochen wurden beide Charaktere von ihrer Funktion angetrieben – aber ich bestand trotz einiges Widerspruchs vom Team auf Cherrys Gitarre. Ich wollte etwas wirklich Einzigartiges und cool Aussehendes in der Reihe. Letztendlich aber wollte ich Charaktere, die perfekt in das Universum von Streets of Rage hineinpassen.
Asensio: Floyd war ziemlich unkompliziert, da er der letzte Charakter war und wir genau wussten, was wir noch brauchten, um eine gute und ausgewogene Charakterauswahl zu haben. Die größte Herausforderung bestand darin, ein einzigartiges Konzept für einen „beweglichen Greifarm” auszuarbeiten.
Es waren mehrere Veränderungen nötig, auch ein paar kurzfristige, um eine gute Balance zu finden, da sein Teleskop-Greifarm dem KI-Verhalten oftmals überlegen ist (und ja, wir mussten letztendlich die KI etwas für ihn abändern).
… und die klassischen Kämpfer neu interpretieren.
Waren Blaze, Adam und Axel demnach leichter zu gestalten, weil ihr die Entwürfe ihres Aussehens und der Kampfstile von SoR1 – 3 übernehmen und anpassen konntet?
Asensio: Wir haben von Anfang an entschieden, dass sie ihre Kult-Aktionen behalten sollten, aber ich habe ihre Eigenschaften verändert. So landet zum Beispiel Axels neutraler Sprung-Kick nur noch einen Treffer, aber das viel stärker, sodass Gegner von der Mauer abprallen.
Fiquet: Axel war in künstlerischer Hinsicht nicht leicht zu gestalten. Ich wusste, dass es für viele ein ziemlicher Sprung wäre, ihn aufzupumpen und ihm einen Bart zu verpassen, aber ich wollte den Charakter etwas gröber werden lassen. Über die Neugestaltung von Blaze und Adam erfahrt ihr mehr im vorherigen Blogeintrag.
Wie habt ihr euch für die Spezialmoves der einzelnen Charaktere entschieden? Habt ihr die früheren Spezialmoves nur verfeinert oder sie komplett überarbeitet?
Asensio: Ja, der spaßige Teil bei der Neugestaltung von Axel und Blaze war, dass wir ein paar neue Facetten zu ihren bereits existierenden Moves hinzufügen konnten. So konnten wir auch überlegen, wie gut sie defensiv, offensiv und hinsichtlich ihrer Kombos in unser Spielsystem passen würden.
Dann habe ich ein paar Spezialmoves in der Luft mithilfe von Animationsframes anderer Bewegungen ausprobiert, sodass wir ein paar neue Moves hinzufügen konnten. Es hat Spaß gemacht und war wirklich nützlich, also hat Ben richtige Animationen für sie erstellt und so war die Idee geboren: Jeder Charakter hat einen Spezialmove in der Luft.
Adam haben wir als völlig neuen Charakter entwickelt. Wir hatten mehrere Diskussionen darüber, wie sein Spielstil sein sollte. Die Idee eines kleinen Vorwärtsprints ergab Sinn, da sich Adam, wie alle Familienmitglieder der Hunters, schnell bewegen kann. Bei den anderen Moves haben wir versucht, sie ebenfalls stark zu machen, um seinen Charakterwerten („Power A”) aus SoR1 zu entsprechen.
Lagarigue: Wir wollten für Adam einen Kampfstil finden, mit dem er sich wie ein gewöhnlicher Charakter spielt, aber nicht zu nah an Axel oder Blaze herankommt. Es gibt ein kleines Detail, das ich eingefügt habe, was ich besonders mag: Wenn ihr mit Adam sprintet und einen Gegner berührt, macht ihr eine Kreisbewegung und landet auf der anderen Seite.
Diese Idee kam mir, als ich die Kämpfe zwischen Jackie Chan und Brad Allen im Film Under Control verfolgt habe. Ich dachte, es würde Spaß machen, einen Charakter zu haben, der sich wie ein sehr flinker Boxer anfühlt. Und um das Gefühl nachzuempfinden, habe ich mir dieses Spielverhalten ausgedacht.
Axel und Blaze sind die einzigen beiden Charaktere, die in allen vier Spielen auftauchen. Warum habt ihr euch dafür entschieden, Adam zurückzubringen und Skate, Max oder Zan nicht?
Asensio: Adam ist einfach zu cool und war viel zu lange aus dem Spiel!
Fiquet: Ehrlich gesagt, war es schon längst überfällig. Sobald wir das Spiel angekündigt hatten, konnten wir regelrecht einen Aufschrei der Fans nach seiner Rückkehr hören. Wir waren uns einig, dass wir ihn definitiv hinzufügen würden und es war eine Qual, ihn nicht schon früher zeigen zu können. Adam erfüllt keinen besonderen Zweck im Gameplay, wie der schnelle Skate oder der starke Max. Er muss einfach nur da sein, weil er es drauf hat.
Wie war eure Herangehensweise bei der Entscheidung, welche Gegner dabei wären? Gibt es welche, die bewusst ausgeschlossen wurden? Und wenn ja, warum?
Asensio: Ich denke, Streets of Rage 2 ist das beste Spiel der Serie. Ich liebe das langsame, strategische Tempo. Mir gefällt, wie es um die drei Hauptgegner herum konzipiert wurde: Galsia, Signal und Donovan. Galsia greift an und hält einen auf Trab, Signal fällt einem in den Rücken, wenn man nicht hinschaut, und Donovan hindert einen daran, auf ihn zu springen.
Wir haben unsere Level und Gegner auf diese Idee der Synergie zwischen Bösewichten aufgebaut. Oh, und wir haben uns dafür entschieden, Jet nicht zurückzubringen, weil er nervt – die ganze Zeit nur am Herumfliegen und nicht verwundbar durch Kombos …
Die Musik von Streets of Rage 4
Der Soundtrack besteht aus einer Mischung von intern produzierten Stücken und Beiträgen von legendären Komponisten der Branche. Wie habt ihr die Reihenfolge der Titel im Spiel festgelegt? Wurde den Komponisten zum Beispiel ein Thema vorgegeben oder haben sie Konzeptentwürfe für die Level erhalten, um ihre Titel entsprechend zu gestalten?
Imbert: Die Idee war, mithilfe eines Hauptkomponisten eine gewisse Harmonie und Kohärenz im Spiel herzustellen. Olivier Derivière ist nicht nur ein großartiger Komponist und ein Fan elektronischer Musik, er hat auch die Beziehung zwischen Musik und Gameplay verinnerlicht. Das ist ein entscheidender Punkt für jedes „Street of Rage”-Spiel.
Zudem wollten wir verschiedene östliche und westliche Einflüsse integrieren. Unterschiedliche Musikelemente, das hat es schon in früheren SoR-Titeln gegeben. Deswegen baten wir Yuzo Koshiro und Motohiro Kawashima, die ursprünglichen Komponisten, darum, bedeutende Musikstücke für uns zu produzieren – bestimmte Bosskämpfe, wichtige Leitmotive, bestimmte Level usw. Wir wollten damit sowohl einen Teil der Seele der Originalspiele einfangen, als auch die atemberaubende Musik, die sie heutzutage machen, präsentieren.
Mit an Bord waren außerdem viele andere talentierte Künstler, die das Beste aus klassischer und moderner Videospielmusik repräsentieren, aber auch zeitgenössische Musiker, die bisher keine Erfahrung mit der Arbeit an Videospielen hatten. Alle sollten dabei einen bestimmten Moment innerhalb des Videospiels aus ihrer Sicht interpretieren und in ihre Musik übertragen. Dafür haben wir jedem Komponisten eine Szene aus dem Spiel gezeigt, inklusive Story-Elementen und allgemeinen Angaben zur Atmosphäre und den Charakteren darin. Und dann haben wir sie einfach ihre fantastische Arbeit machen lassen. Wir haben uns jedes Mal wie kleine Kinder gefreut, wenn ein weiterer Titel bei uns ankam.
Olivier, welcher Titel hat dir bei der endgültigen Fertigstellung die meisten Sorgen bereitet?
Derivière: Im Grunde war es am schwierigsten, in die Fußstapfen von Koshiro und Kawashima aus den früheren Spielen zu treten. Ich wollte nicht einfach ihren Stil kopieren, sondern habe ihren Ansatz übernommen, Club-Musik der 90er ins Spiel zu integrieren.
Allerdings musste ich mich dafür durch die Club-Musik der letzten 25 Jahre wühlen und dabei beachten, nur Titel auszuwählen, die auch zum Charakter der Spielreihe passen. Es hat mir riesigen Spaß gemacht, viele Songs der Ost- und Westküsten-Ära erneut anzuhören. Dazu kamen noch andere Genres, darunter Dubstep oder Electronica mit IDM-Künstlern wie Aphex Twin. Aber all das wie ein großes Ganzes klingen zu lassen, das war definitiv eine Herausforderung!
Welcher Titel eines Gastkomponisten hat dich am meisten überrascht? (Entweder der gesamte Titel oder nur ein Abschnitt daraus, der deinen Erwartungen überhaupt nicht entsprochen hat.)
Derivière: Ich würde sagen, dass mich die Titelmelodie von Koshiro ganz und gar nicht überrascht hat. Sie ist eine perfekte Hommage an Streets of Rage und bereitet die Spieler atmosphärisch optimal auf den anstehenden Kampf vor.
Wir lassen das Spiel mit Stil beginnen, sehr nah an den Originalspielen orientiert. Hingegen ist das, was Kawashima abgeliefert hat, sehr speziell, sehr modern und es klingt manchmal fast wie die Avantgarde der elektronischen Musik. Beide sind einzigartig, und – zu meiner großen Überraschung – verstehe ich jetzt viel besser, wie sie es in der Vergangenheit geschafft haben, diese Kultmusik zu erschaffen … (und das bis heute!) All anderen Gastkünstler haben ebenfalls fantastische Arbeit geleistet und jedem Boss ihre eigene Persönlichkeit mitgegeben.
Darüber hinaus bietet das Spiel die Option, Klassiker abzuspielen – wie habt ihr euch auf bestimmte Stücke festgelegt?
Derivière: Das war eine Team-Entscheidung. Wir haben dabei Rückmeldungen vom harten Kern der Spieler eingeholt und die Retro-Musik von Streets of Rage und Streets of Rage 2 in einigen Leveln und bei manchen Bossen eingesetzt.
Die Zusatzmodi des Spiels
Welche Gameplay-Veränderungen und -Anpassungen gibt es im lokalen Koop-Modus für vier Spieler?
Asensio: Die Ausbalancierung eines 4-Spieler-Koop-Modus ist so gut wie unmöglich. Daher haben wir es von vornherein gar nicht erst versucht, sondern stattdessen daran gearbeitet, den Spaßfaktor durch kleine Veränderungen noch oben zu schrauben, um das Spiel noch unterhaltsamer und verständlicher zu machen.
Ein Beispiel: Je mehr Spieler es gibt, desto weniger Schaden kann der Einzelne austeilen. Deswegen muss man sich gegenseitig helfen und die Aktionen koordinieren, wenn man coole Koop-Kombos hinlegen will. Außerdem gibt es Bonusschaden, wenn man aktiviert, dass man seine Teammitglieder ebenfalls in Mitleidenschaft ziehen kann. Bei Bosskämpfen tauchen mehr Gegner auf, es gibt also immer jemanden zu bekämpfen. Zudem sind Gegner noch aggressiver und die Spieler können sich nicht gegenseitig überlagern (sie stoßen sich quasi ab wie entgegengesetzte Magnete).
Gibt es im Spiel weitere Funktionen wie Neues Spiel+, Bestenlisten oder Ähnliches, um die Spieler zum Weiterspielen zu motivieren, wenn die Kampagne beendet ist?
Asensio: Für jeden Level und jeden Charakter wird es Bestenlisten geben. Wer überall den S-Rang (den höchsten Rang im Spiel) erreicht hat, kann sich an die Aufgabe wagen, die Punktzahlen der weltweit besten Spieler anzufechten.
Wir haben dazu noch den Schwierigkeitsgrad „Mania” eingebaut, der einem „Neues Spiel+”-Modus in nichts nachsteht. Außerdem sollten die Spieler den Kampfmodus ausprobieren: Er liefert immer interessante Kämpfe für jedes Level in einem überaus coolen Design.
Lagarigue: Und dann gibt es noch die zwei ultimativen Herausforderungen des Spiels: Meistert zum einen den Arcade-Modus und beendet die komplette Kampagne in einem Zug mit einer begrenzten Anzahl an Leben, oder wagt euch an den „Boss Rush” und besiegt alle Bosse ohne zusätzliche Leben. Beide Modi sind sehr unterhaltsam, aber auch sehr intensiv!
Herausforderungen und Geheimnisse der Entwicklung
Gibt es irgendwelche lustigen Geschichten, die ihr teilen wollt?
Asensio: Im vorherigen Blogeintrag haben wir erzählt, wie wir die Sprite-Version der Charaktere wieder in dieses Spiel eingeführt haben. Aber eigentlich ist es so: Ich habe sogar andere Sprites aus anderen Spielen in unsere Engine gepackt, sodass wir obendrein Joe Musashi von Segas Shinobi als wählbaren Charakter hatten. Natürlich haben wir ihn am Ende entfernt, da er nur für Testläufe gedacht war, aber es war trotzdem ziemlich cool, den Schurken einen Tritt mit ihm zu verpassen.
Fiquet: Eine der Boss-Figuren – Estel, eine toughe, pflichtbewusste Polizistin – basiert auf der Vorlage einer echten Polizistin, die ich während meines Schaffensprozesses getroffen habe. Sie war so knallhart, dass ich sie einfach ins Spiel aufnehmen musste.
Rückblickend auf die Entwicklung, was war die größte Herausforderung?
Asensio: Die größte Herausforderung war, die vorherigen Spiele zu verstehen und das zu finden, was sie ausmacht. Man muss seine nostalgische Brille absetzen und sich wirklich fragen, was diese Spiele so besonders macht. Gibt es frustrierende Elemente? Sollten wir sie entfernen oder sind sie vielleicht Teil des Erlebnisses? Diese Art von Dingen.
Lagarigue: Ich denke, die größte Hürde bestand darin, das Level-Design und den Rhythmus des Spiels zu treffen. Wenn man ein Sidescroller-Beat-’em-up entwickelt, ist es schwer, es dauerhaft interessant und vielfältig zu gestalten, während das Kampf-Gameplay im Prinzip gleich bleibt.
Wir haben es dennoch geschafft, durch viel Iteration auf dem Level-Design und Variationen bei Art und Zeitpunkt des Auftauchens von Gegnern in den Leveln. Und auch durch das Ausfeilen der Gegner-KI, vor allem die der Bosse.
Imbert: Es gab so viele Herausforderungen auf dem Weg. Es ist zum Beispiel wirklich schwer, die richtige Balance zwischen dem Erbe und der Innovation zu finden. Eine der schwierigsten Aufgaben für mich persönlich war die Musik.
Es war kompliziert, so viele großartige Künstler zusammenzubringen, alle Lizenzelemente handzuhaben und Verhandlungen zu führen. Aber das Ergebnis ist toll und es hat mir ermöglicht, mit unglaublich talentierten Menschen zusammenzuarbeiten und sie kennenzulernen, wie etwa Olivier Derivière und Yuzo Koshiro.
Fiquet: Bei dem Versuch, den Originalspielen treu zu bleiben und gleichzeitig etwas Neues zu schaffen, steht man nicht nur seinen eigenen Erwartungen gegenüber, sondern auch denen der Fans auf der ganzen Welt.
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