Die Schöpfer Masaya Matsuura und Rodney Greenblat blicken auf ihren PS one-Klassiker zurück
Alex Wiltshire, SIEE:
Eine der beliebtesten Gaming-Ikonen ist ein verliebter, rappender Hund, der nur dran glauben muss. PaRappa the Rapper hatte seine eigene Anime-Serie, einen Gastauftritt in PlayStation All-Stars: Battle Royale und bald erscheint er in komplett überarbeiteter Form für PS4. Und genau wie seine Freunde Schlag Schlag Meister Zwiebel, Prince Fleaswallow, Sunny Funny und alle anderen sieht er frischer aus als je zuvor.
Aber PaRappa hat deutlich mehr erreicht, als nur frisch auszusehen. Seit seinem PlayStation-Debüt 1997 hat er gezeigt, wozu diese neue Maschine in der Lage war, hat Musik mit anspruchsvollem Gaming und fesselndem Grafikstil kombiniert und ein völlig neues Genre geschaffen, das viele verschiedene Zielgruppen ansprach.
Für Ste Curran, der damals das Spielen beinahe komplett aufgegeben hatte, war die erste Berührung mit dem Titel eine Offenbarung.
„Plötzlich tat sich mir eine völlig neue Welt auf”, erzählt er. „Spiele mussten nicht mehr nur mit Fußball, Schießen, Autofahren, Töten oder dem Weltall zu tun haben. Sie konnten alles Mögliche zum Thema haben. Das hat mich verblüfft und war ein ganz besonderer Augenblick in meinem Leben.”
Am nächsten Tag kaufte er sich ein PlayStation-System und drei Monate später schrieb er bereits für das renommierte Videospielmagazin Edge. Einige Jahre danach entwickelte er seine eigenen Musikspiele, Chime und den Nachfolger Chime Sharp, der soeben für PS4 erschienen ist.
PaRappa war das Werk zweier Menschen, die noch nie zuvor ein Videospiel entwickelt hatten. Der Musiker Masaya Matsuura und der Grafiker Rodney Greenblat gingen eine Partnerschaft über den Pazifik hinweg ein, indem sie Matsuuras Studio in Tokio mit dem von Greenblat in New York City zusammenschlossen.
Vom Popmusiker zum Spieleentwickler
„Matsuura hatte die coolsten Klamotten und Sneaker, die ich je gesehen hatte”, beschreibt Greenblat ihr erstes Treffen. „Er war damals ein Popstar und sein Büro und sein Ansehen bei Sony waren wirklich beeindruckend. Sein Englisch ist hervorragend und er ist so ruhig und ausgeglichen.”
Matsuura hatte zwar noch nie Spiele entwickelt, aber schon seit Beginn seiner Karriere Computer zum Komponieren seiner Musik benutzt, vom Roland MC-8, einem der ersten Sequenzer, bis hin zum Apple II. 1983 gründete er eine Band, Psy-S, die Ende der 80er große Hits landete, doch er empfand die damalige Standard-Musiksoftware als zunehmend frustrierend.
„Ich beschloss, eine Computersoftware zu entwickeln, die interaktiv meine eigene Musik entwickelt”, erzählt Matsuura. „Ich träumte von einem Programm, das Musik erzeugen konnte, aber ich wollte nicht mit Musik experimentieren, die irgendwelchen mathematischen Formeln folgt.”
Er begann ebenfalls, mit neuen interaktiven Medientechnologien wie CD-I und CD-ROM zu experimentieren und stieg Mitte der 90er bei Psy-S aus, um sein eigenes Studio, NanaOn-Sha, zu gründen und sich ganz diesen Technologien widmen zu können.
Vom Illustrator für Teenie-Produkte zum Spieleentwickler
„Ich liebte seine Arbeit”, sagt Matsuura über Rodney Greenblat. Sie begegneten sich zum ersten Mal Anfang der 1990er auf einer MacWorld Expo, doch als Matsuura von einem Produzenten von Sony Computer Entertainment hörte, dass Greenblat ein PlayStation-Spiel entwickeln wollte, bat er um ein Folgetreffen.
Zu der Zeit war Rodney Greenblat ein erfolgreicher Illustrator, der Kinderbücher schrieb, interaktive CD-ROMs für Kinder entwickelte und Figuren für Sony Creative entwarf – eine Abteilung, die Bürobedarf, Spielzeug und Accessoires produzierte.
„Sony Creative musste einen ständigen Nachschub an neuen Produkten entwickeln, um die verrückten japanischen Mädchen zufriedenzustellen, die so gern niedliche Sachen kauften”, verrät er.
Er unternahm regelmäßig lange Reisen nach Tokio, wo er seine neuen Charaktere vorstellte, darunter auch Sunny Funny, Katy Kat und PJ Berri.
„Ich weiß noch, wie sie mir einen in Echtzeit animierten Dinosaurier zeigten, der von einem PlayStation-Prototyp erstellt worden war. Das war unvorstellbar cool, kommt mir aber jetzt sehr primitiv und albern vor.”
Die Entwicklung des Rhythmus-Actionspiels
Matsuura wollte Rap für sein erstes Spiel verwenden, weil dieser die meisten Leute direkt anspricht.
„Als Computermusiker aus den 80ern hatte ich das Sampling der menschlichen Stimme bereits als unglaublich witzige Technik kennengelernt”, erklärt er, obwohl er die damaligen Ergebnisse seiner Experimente im Stimmen-Sampling nicht so toll fand, weil sie lächerlich klangen. Aber bei der Entwicklung seines Spiels erkannte er, dass die Stimme einen Zusatzfaktor mit sich brachte. „Sie ist in der Lage, die Zuhörer zum Lachen und Lächeln zu bringen. Das war etwas, das ich noch nie zuvor erlebt hatte.”
Ein Spiel aus Musik zu machen, war jedoch eine völlig neue Herausforderung. Matsuura begann, verschiedene Tasten am Controller mit verschiedenen Wörtern zu verbinden, und fing an, mit Paradiddle herumzuspielen, einem Schlagmuster, das abwechselnd von beiden Händen gespielt wird.
Er entdeckte, dass die Unterteilung der Musik in acht Noten jede Menge Permutationen zwischen links und rechts ermöglichte, wie z. B. „RLRL RLRL”, „RRLL RRLL” oder „RLRR LRLL”, und merkte ebenfalls, dass diese Spielweise sehr viel Spaß machte. „Dieser Mechanismus eignet sich offensichtlich prima als Grundlage für die Eingabemethode des Spiels.”
Das Komponieren der Songs
Da es ein Rap-Spiel werden sollte, wusste Matsuura, wie wichtig die Wörter im Song waren.
„Alles, was im Songtext oder im Song passiert, wirkt wie eine Erzählung”, erklärt er. Darum spielten die Songs eine wichtige Rolle für die Story des Spiels, machten die Spieler gleichzeitig mit der Spielweise bekannt und boten ihnen eine kontinuierlich schwieriger werdende Herausforderung.
Matsuura ist sehr zufrieden damit, wie die erste Stufe des Spiels, Schlag Schlag Meister Zwiebels Dojo-Rap („Kick! Schlag! Du hast alles im Kopf.”), genau das umsetzt.
„Eine wichtige Idee war es, den Schauplatz des Spiels als Metapher für ein altbekanntes Spiel, z. B. das Kämpfen, darzustellen”, beschreibt er. „Das gab den Spielern dieses ‚Das kenne ich schon’-Gefühl.”
Auf ähnliche Weise nutzt die zweite Stufe von Instructor Mooselini („Fuß aufs Gas! (Fuß aufs Gas?), Fuß auf die Bremse! (Fuß auf die Bremse?)”) ein traditionelles Fahrspiel als Metapher. Aber für die dritte Stufe, den Rap von Prince Fleaswallow („Bei Regen und Schnee. Doch das ist okay.”), fiel den beiden keine weitere bekannte, passende Metapher ein. Matsuura, dem die ersten beiden Songs noch nicht genug nach „Rap” klangen, erkannte hingegen die Gelegenheit, das Rap-Element noch weiter hervorzuheben und die Spieler den Rhythmus seines Songtextes mit den Fingern tippen zu lassen.
„Danach klangen die Titel mehr nach Rap”, erzählt Matsuura. Die vierte Stufe, der Rap von Cheap Cheap The Cooking Chicken, („Knack, knack, knack das Ei in die Schüssel, M.I.X. das Mehl in der Schüssel.”), fügt zum ersten Mal einen synkopischen Rhythmus hinzu.
„Das ist für Hiphop-Musik natürlich nötig”, erklärt er. „Nur die letzte Stufe klingt meiner Meinung nach tatsächlich wie Rap-Musik. Mir gefällt besonders, wie am Ende des Songs der Ruf des Lehrers und die Antwort von PaRappa verstummen und stattdessen ein neuer Ruf von PaRappa und eine Antwort vom Publikum zu hören sind. Musik sollte frei und natürlich sein.”
Die Entstehung der PaRappa-Grafik
Währenddessen saß Greenblat an der Grafik zu PaRappa. Er entwickelte die Designs für alle Charaktere und gab ihnen auch die Namen – außer PaRappa selbst, dessen Name Matsuuras Idee war.
Greenblat schickte seine Grafiken per Fax nach Japan und markierte seine Schwarzweißbilder mit Pantone-Kennziffern, um die exakten Farben festzulegen, die er wollte. Das Studio schickte ihm Testvideos auf CD-ROM zurück, damit er sehen konnte, wie das Spiel aussehen würde.
PaRappas Grafikstil aus 2D-Papiercharakteren in einer 3D-Welt war ebenfalls Greenblats Idee.
„Matsuura und seinem Team gefiel der flache Look meiner Kinderbücher und CD-ROM-Charaktere”, erzählt er. „Sie machten einen Test mit einem meiner Dazzeloids-Charaktere, der sich umherbewegte wie eine ausgeschnittene Papierfigur. Wir waren alle begeistert und beschlossen, PaRappa im selben Stil anzulegen.”
Obwohl er es gewohnt war, seine Charaktere animiert und interaktiv zu sehen, war es etwas ganz anderes, PaRappa in Bewegung zu erleben. „Es hat mich verblüfft, zu wie viel Live-3D das kleine PlayStation-System fähig war. Noch besser stand den Charakteren die Musik. Matsuuras Musik war magisch. Sie erweckte die Charaktere auf faszinierende Art zum Leben.”
Was dann geschah
Fragt man Matsuura, ob er die enorme Popularität von PaRappa vorhergesehen habe, sagt er „Nie im Leben!”. Ebenso ging es Greenblat und sogar Sony selbst, die ursprünglich nur 30.000 Kopien bestellten. Der Erfolg brachte Matsuura dazu, sich erneut mit Greenblat zusammenzutun und UmJammer Lammy zu entwickeln, das sich um einen nervösen Rockgitarristen dreht, sowie eine PaRappa-Fortsetzung auf PS2. Matsuura selbst erschuf auch noch Vib-Ribbon, Mojib-Ribbon sowie weitere Musikspiele im Laufe seiner Karriere als Spieleentwickler, die bis heute andauert.
Greenblat bekam nichts von dem Erfolg mit, bis seine Tantiemenschecks eintrudelten. Damit konnten er und seine Frau ein Haus in Upstate New York kaufen, wo er noch heute lebt. Darüber hinaus wurde er so etwas wie eine kleine Berühmtheit in Japan.
„1999 eröffneten mein Agent und ich ein Café mitten auf der Omotesando-Einkaufsmeile in Tokio”, erzählt er. „Ich traf viele japanische Promis und arbeitete mit dem Pop-Duo Puffy an vielen Albumcovern sowie den Kulissen für ihre Fernsehshow zusammen. Ich freundete mich auch mit den mega-talentierten Popstars Tomoe Shinohara und Kaela Kimura an.”
Und was natürlich noch toller war: PaRappa ebnete den Weg für Spiele wie Guitar Hero und SingStar, die die Faszination von Videospielen noch weiter verstärkt haben. Keine schlechte Leistung für einen Hund mit Minderwertigkeitskomplexen.
PaRappa The Rapper Remastered erscheint morgen, am 4. April 2017, auf PS4 – jetzt vorbestellen!
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