The Last Guardian kommt: Entdeckt die Erzählwelten von Fumito Ueda

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The Last Guardian kommt: Entdeckt die Erzählwelten von Fumito Ueda

Bekannte Spieldesigner erzählen, wie der gefeierte Schöpfer sie beeinflusst und inspiriert hat


Corey Brotherson, Content Producer, SIEE:

Team ICOs Titel – Ico, Shadow of the Colossus und The Last Guardian – werden häufig für ihre unvergesslichen und gewaltigen Geschichten gelobt. Und alle davon entstammen den Ideen eines in Tatsuno geborenen Künstlers, der eigentlich nur Fiktion erschaffen wollte.

„Ich kam im Alter von 25 Jahren in die Spielebranche, ein wenig später als die meisten Entwickler”, erinnert sich der Creative Director, Fumito Ueda. „Zu Beginn wollte ich in der Gaming-Industrie arbeiten, da man davon sehr gut leben kann, aber ich fragte mich, ob das wirklich eine faire Herangehensweise ist. Also habe ich entschieden, wenn ich schon Spiele mache, möchte ich auch etwas ausdrücken, was in anderen Medien nicht möglich ist.”

16 Jahre später hat genau diese Denkweise dabei geholfen, Spiele zu erschaffen, die nicht nur die Fantasie der Spieler beflügelt, sondern auch Entwickler der gesamten Industrie inspiriert haben. Wir haben mit einigen der angesehensten Autoren/Designer der Videospiel-Industrie gesprochen, um herauszufinden, warum das so ist.

Sie ermöglichen es, gleichzeitig allein und zusammen zu sein

Um vom Gameplay vorangetriebene Geschichten zu erschaffen, die es so in Videospielen bisher nicht gab, setzt Ueda-san häufig eine „Partner-Mechanik” ein. Natürlich fällt uns dabei sofort der Katze-Vogel-Hund-artige Trico aus The Last Guardian ein, aber schon davor gab es Prinzessin Yorda in Ico und das treue Ross Agro in Shadow of the Colossus.

„Einen KI-basierten Partner zu haben und die Interaktion, die sich daraus ergibt, ist etwas, was man in Büchern oder Filmen nicht umsetzen kann”, erklärt Ueda-san. „Und Trico ist die Krönung all dessen, von dem wir annahmen, dass wir es mit Ico und Shadow of the Colossus nicht erreichen konnten.”

The Last Guardian The Last GuardianThe Last Guardian

 
„Bei Ico geht es darum, Vertrauen aufzubauen, und auch Shadow of the Colossus hat mit Agro einen ähnlichen Schwerpunkt. Aber mit Trico trifft man auf diese seltsame Kreatur und man ist sich gegenseitig völlig fremd. Man muss erst dieses unglaubliche Spektrum an Dingen gemeinsam bewältigen, um eine Beziehung aufzubauen, und genau darin liegt die Erzählung.”

Diese Co-Abhängigkeit zu jemandem, den man nicht kontrollieren und mit dem man nur eingeschränkt kommunizieren kann, ist ein wertvoller Grundfaktor, der dramatische Spannung erzeugt. Gleichzeitig ermöglicht sie es dem Spieler aber auch, dieser Beziehung eine unausgesprochene und einzigartig persönliche Bedeutung zu verleihen – ob nun durch die größeren Auseinandersetzungen … oder durch die kleineren, ruhigeren Momente zwischen den beiden.

„In Ico fühlt sich die Beziehung zwischen dem Spielercharakter und der ätherischen Yorda so zerbrechlich und gleichzeitig so komplex an”, meint Greg Kasavin, Autor und Designer bei Supergiant Games (Bastion, Transistor). „[Das wirkt] allein durch ihre Interaktionen in jedem Moment, wenn sie sich gegenseitig durch ihre Umgebungen helfen oder sich auf eine Bank fallen lassen, während der Fortschritt gespeichert wird.”

Es gibt eine Leichtigkeit der Berührung

Es liegt Macht im dem, was ungesagt bleibt – und Ueda-sans Vorgeschichte als Künstler kommt vor allem in seinem Bedürfnis zur Geltung, seine Erzählungen durch visuelle Darstellungen zum Ausdruck zu bringen. Geschichtenerzähler werden dazu normalerweise ausgebildet („zeigen, nicht sagen”), aber es ist sehr schwer, das auch anzuwenden. Das gilt besonders für Videospiele, wo es leicht zu Verwechslungen kommen kann zwischen dem Verständnis, wie man ein Spiel spielt, und dem Verständnis dessen, worum es im Spiel eigentlich geht.

„Der Minimalismus des Erzählstils ist wirklich bewundernswert”, findet der Gründer von Double Fine, Tim Schafer (Grim Fandango, Psychonauts, Broken Age). „Ein großer Teil der Erzählweise bringt den Spieler dazu, Fragen zu stellen, und es gibt Umgebungen, die eine lange Geschichte haben und sich uralt anfühlen.”

„Man findet so viel Geheimnis und Gefühl dabei und es gibt jede Menge Freiräume, die mit der eigenen Fantasie und erzählerischen Ideen gefüllt werden können. Das gefällt mir besonders. Es inspiriert mich in Hinblick darauf, was alles ohne Dialoge erzählt werden kann und wie reichhaltig die Umgebung gestaltet werden kann, wenn man sich auf die Stimmung und die Gefühle konzentriert.”

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„Was die Geschichten von Ico und Shadow of the Colossus so effektiv macht, ist, dass sie fast nie auf Worte zurückgreifen müssen”, stimmt Greg zu. „Es sind zwar keine wortlosen Spiele, aber ich finde, dass sie gerade dann am besten sind, wenn nichts gesagt wird. Die Umgebungen, das Charakter-Design und die Animationen in diesen Spielen sind so lebendig und besonders, dass sie die Geschichte eigentlich alleine erzählen und gleichzeitig dem Spieler genug Raum lassen, die einzelnen Teile für sich persönlich zusammenzusetzen.”

„Eines hat mich schon immer begleitet, seit ich die Spiele nach ihrem Erscheinen zum ersten Mal gespielt habe. Sie lassen einem sehr viel Zeit dafür, die Landschaft in sich aufzunehmen, sodass man gleichzeitig in sie eintauchen kann und sie einen zur selben Zeit nachdenklich machen.”

Die Kunst des Kämpfens, ohne zu kämpfen

Obwohl es in modernen Spielen nicht mehr die Norm ist, gibt es diese Erwartungshaltung, dass es in einem Videospiel explosive Actionszenen gegen eine Armee gesichtsloser und austauschbarer Gegner geben muss, bevor man sich in einen gewaltigen Bosskampf stürzt. Genau deswegen ist es besonders aussagekräftig, wenn diese Erwartung bewusst nicht erfüllt oder untergraben wird, wie es bei den Titeln von Ueda-san der Fall ist.

In Ico muss man Konflikten so gut wie möglich aktiv aus dem Weg gehen, während die Kurzbeschreibung von Shadow of the Colossus zwar „ein Spiel der Bosse” proklamiert, dies aber auf unvergessliche Weise in die Erzählung eingewoben ist.

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„Ich habe Gerüchte gehört, dass Shadow, das damals noch unter dem Codenamen ‚NICO’ lief, nichts weiter als eine Serie von wirklich gut gemachten Bosskämpfen sein sollte”, erzählt der Creative Director von JAPAN Studio, Keiichiro Toyama (Forbidden Siren, die Gravity Rush-Reihe). „Aber nach dem Erscheinen stellte es sich als diese unglaublich einzigartige Welt heraus, die alle üblichen Konventionen sprengte. Es war erstaunlich.”

„Wenn ich einen Koloss umbrachte, war das ein so unglaublicher Kick wie nichts anderes zuvor. Aber dieser Kick wurde begleitet von dem Schrecken über die Grausamkeit, die ich gerade begangen hatte, als ob die ganze Last der Erbsünde plötzlich auf mich fallen würde.”

Jeder Tod in Shadow of the Colossus hat eine Bedeutung, was in einem Medium, das oft den Exzess geradezu feiert, eine Seltenheit ist. Gewalt ist hier nicht nur das Mittel zu einem blutigen Zweck, sondern ein dramatisches Stilmittel der Erzählung, um komplexere Gefühle zu erzeugen als nur das Triumphgefühl, das durch das Bewältigen eines Hindernisses entsteht.

„Unmittelbar nach dem ersten Sieg über eines der majestätischen Monster des Spiels fragt man sich sofort, was genau man da eigentlich macht und ob der Preis, den man für das Erreichen seines Ziels bezahlt, es tatsächlich wert ist”, bestätigt Greg.

„Das sind Spiele, die die traditionellen Ideen von Spielerfantasien ablehnen, obwohl sie oberflächlich betrachtet zu diesen Genres zählen.”

Versteckte Tiefen

Während der minimalistische Stil von Ueda-sans Spielen sicherlich dabei hilft, bei den Spielern diese gewaltigen und bleibenden Reaktionen zu erzielen, ist es vor allem die tiefe Bedeutung ihrer Aussage, die sie so unvergesslich macht. „Je öfter man die Titel gespielt hat, desto offensichtlicher war es, dass unter der Oberfläche noch wesentlich mehr steckt”, erklärt Greg.

Wenn man Zeichen oder Symbole in diesen Spielen bemerkt, hängen sie meistens direkt mit der Thematik oder der Erzählung ihrer Geschichte zusammen. Und auch wenn man es nicht bewusst wahrnimmt, ist immer ein Gefühl von Verlust, Liebe, Freundschaft, Einsamkeit und Tod präsent … zwischen vielen anderen Dingen.

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„Ich glaube, dass die Gegensätzlichkeit zwischen Mann und Frau ein Schlüsselelement in Uedas Arbeit ist”, erläutert Toyama-san. „Dieses Bild ist in Ico offensichtlich, in Shadow jedoch sehe ich die Kolosse als Verwandte der Erdgöttinnen. Und diese Symbole der Ernte werden vernichtet, um eine einzige Frau ins Leben zurückzubringen. Ich finde, dass dieser dramatische Zwiespalt in Shadow of the Colossus als ein in der Moderne geborener Mythos bezeichnet werden kann.”

Einen bleibenden Eindruck hinterlassen

Die Kombination dieser Elemente im Zusammenspiel mit dem fesselnden Gameplay hat dazu geführt, dass so viele Spieler und Entwickler der Veröffentlichung von The Last Guardian während der langen Entwicklungszeit so sehr entgegengefiebert haben. Das ist auch der Grund, warum auch nach der Veröffentlichung alle Augen darauf gerichtet bleiben werden, was Ueda-san wohl als Nächstes erschaffen wird – auch wenn es vielleicht keine Partner-basierte Geschichte mehr sein wird. „Wenn ich in Zukunft eine andere Ausdrucksmöglichkeit finde, die nur in Spielen umgesetzt werden kann, werde ich ein Spiel entwickeln, das darauf basiert”, sagt er.

Aber erst einmal besteht kein Zweifel, dass Ico, Shadow of the Colossus und The Last Guardian ein Trio bleiben werden, das den Spielern immer in den Sinn kommen wird, wenn es um echte und bewegende Spielerlebnisse geht.

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„Das waren Spiele, die von etwas handelten”, fasst Greg zusammen. „Sie haben unvergessliche und emotionale Erlebnisse geschaffen, die Fragen aufgeworfen haben, anstatt Antworten zu predigen, die Raum für die Interpretation der Spieler gelassen haben – was, wie ich denke, unverzichtbar für ein Medium ist, das sich durch Interaktivität definiert.”

„Vor allem sind diese Spiele jedoch wunderschön und mit unglaublichem Detailreichtum erschaffen. Ich möchte Spiele kreieren, die bei Spielern genau solche Gefühle auslösen, wie es Ico und Shadow of the Colossus bei mir und vielen anderen getan haben.”

„Sie haben mich immer inspiriert, weil sie eine Welt erschaffen, die sich wie keine andere anfühlt”, stimmt Tim zu. „Sie fühlen sich echt an und wie ein Ort, den ich vermissen werde, wenn ich nicht da bin.”

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