Eins steht fest: Japaner wissen, wie man sich richtig in einer Schlange anstellt. Am PlayStation-Stand der diesjährigen Tokyo Game Show konnte man unzählige Spieler beobachten, die sich geduldig in Reihen durch ein Gewirr aus weißen Absperrungen schlängelten, ohne dass es dabei zu größeren Verwicklungen gekommen wäre.
Am Anfang einer jeden Warteschlange stand ein Mitarbeiter mit einem Whiteboard und Stift, der penibel für jedes Spiel die aktuelle Wartezeit aktualisierte. Welche Warteschlange am Sony-Stand wird wohl die längste gewesen sein? Genau, die des PS Vita-Actionspiels Soul Sacrifice. Dort mussten die Besucher der Show über eine Stunde warten, um es endlich ausprobieren zu dürfen.
Eigentlich war es keine wirkliche Überraschung, dass dieses Spiel die Hauptattraktion darstellte. Nach einer Reihe aufregender Trailer bot die TGS nun endlich die Gelegenheit, erste Erfahrungen mit dem „Dark Fantasy”-Actionspiel von Keiji Inafune, dem Schöpfer von Mega Man und ehemaligen Leiters der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Capcom, zu machen.
Diese ersten Teaser versprachen eine Mischung aus der unerbittlichen und kalten Ästhetik von Dark Soul und den Multiplayer-Monsterkämpfen aus Monster Hunter. Und das ist auch gar nicht so falsch. Man spielt als Mitglied eines vierköpfigen Teams (entweder von anderen Spielern oder der KI gesteuert), das sich auf der Jagd nach einem gewaltigen Boss-Gegner durch verschiedene Umgebungen kämpfen muss.
Der Clou dabei: Wenn ein Teammitglied fällt, kann man sich entscheiden, ob man es für ein großes Power-Up opfert oder ob man den Spieler wiederbelebt, damit er weiter mitkämpfen kann. Die gleiche Spielmechanik wird auch bei gefallenen Feinden angewendet. Wenn man sie opfert, erhält man eine Verstärkung der offensiven Attribute. Verschont man sie, verbessern sich die defensiven Werte.
Das Setting ist absolut überzeugend, und der 15-minütige Teil, den ich anspielen durfte, bot einige fordernde Kämpfe, durchsetzt mit komplexen strategischen Entscheidungen und wundervoll gruseligem Gegnerdesign. Um mehr Informationen zum Spielerlebnis des ganzen Spiels zu erhalten, traf ich mich zu einem 10-minütigen Interview mit Inafune-san im Backstage-Bereich. Schaut euch hier den brandneuen Gameplay-Trailer an und lest dann das Gespräch mit dem Meister persönlich.
Weshalb ist die PS Vita perfekt für ein komplexes Dark Actionspiel wie Soul Sacrifice geeignet?
Inafune: Die Idee war, ein Spiel zu entwickeln, das sowohl dem westlichen Publikum gefällt als auch hier in Japan hohe Verkaufszahlen erzielt. Das westliche Publikum sollte sich auf das Spiel freuen und es unbedingt spielen wollen. Das PS Vita-System verkauft sich nicht, wenn man nur massenweise Otaku-Spiele für sie entwickelt – man braucht ein Spiel wie dieses. Die PS Vita braucht düstere und komplexe Spiele wie Soul Sacrifice.
Wie entstand der Multiplayer-Teil des Spiels?
Inafune: Soul Sacrifice wurde so entwickelt, dass der Spieler sich einfach gemeinsam mit anderen Spielern hinsetzt und im Ad-hoc-Modus sofort loslegen kann. Wenn man keine realen Freunde zur Verfügung hat, kann man selbstverständlich auch online spielen. Aber ich denke, dass es viel spannender ist, wenn man mit seinen echten Freunden spielt, die man sehr gut kennt. Vielleicht hat man dann auch mehr Skrupel, sie zu opfern.
Ich persönlich denke, den größten Spaß macht es dann, wenn man sowohl mit echten als auch virtuellen Freunden spielt. Wenn man sich beispielsweise augenblicklich im realen Leben über einen Freund ärgert, fällt es einem wesentlich leichter, ihn im Spiel zu opfern! Genau darum geht es bei diesem Spiel.
Wenn Sie in eine Zeitmaschine steigen könnten, um dem jungen Keiji Inafune, der gerade Mega Man im Jahr 1986 entwickelt, Soul Sacrifice zu zeigen, was denken Sie, würde er daraus machen?
Inafune: Ich glaube nicht, dass ich vor 25 Jahren zu schätzen gewusst hätte, wie interessant diese Art von Spiel sein kann. Vermutlich hätte ich es als grotesk empfunden, weil mich damals Spiele, die für westliches Publikum entwickelt wurden, nicht wirklich interessierten. Damals habe ich nur an mich gedacht, und wollte Spiele entwickeln, die ich interessant fand. Das hat mich vor 25 Jahren beschäftigt.
Wenn ich also vor 25 Jahren ein Spiel aus der Zukunft gesehen hätte, hätte ich mich vermutlich früher mit Spielen für ein westliches Publikums beschäftigt. Dann wäre ich viel erfolgreicher gewesen und hätte jetzt viel mehr Geld!
Sie haben seit Ihres Rückzugs von Capcom im Jahr 2010 mehrere Großprojekte angekündigt. Was treibt Sie zum jetzigen Zeitpunkt Ihrer Karriere an, immer neue Spiele zu entwickeln?
Inafune: Ganz einfach: Ich habe jede Menge Spaß dabei. Das ist das Wichtigste. Zu meiner Zeit bei Capcom war das Potenzial zweifellos auch vorhanden, aber aufgrund der Größe des Konzerns gab es Beschränkungen und Zwänge, die mich behinderten. Ich besaß Energie – diesen schöpferischen Impuls – aber ich konnte mich nicht so ausleben, wie ich es jetzt kann. Jetzt, wo ich frei und unabhängig bin, will ich einfach alle Möglichkeiten nutzen, die sich mir bieten.
Ja, ich bin schwer beschäftigt, aber es macht Spaß und ich genieße es. Ich habe jetzt viel mehr Energie als zu meiner Zeit bei Capcom. Ich habe viele Sachen angekündigt, und ich hoffe, dass ich zukünftig noch einiges mehr ankündigen und euch so manche Überraschung liefern kann.
Keiji Inafune (rechts) mit Team Ninja Boss Yosuke Hayashi auf der TGS 2012. Neben Soul Sacrifice arbeitet Inafune mit Hayashi an Yaiba: Ninja Gaiden Z
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