Wie bei jedem Sprung von einer Konsolengeneration zur nächsten werden auch die Besitzer einer PlayStation 4 sich Hardware erwarten, die sich in Sachen Innovation auf höchstem Niveau befindet und nie da gewesene Leistung und eine Reihe aufregender neuer Features bietet. Die schwierige Aufgabe der Spieleentwickler, kühne neue Gameplay-Innovationen einzusetzen, ist dabei jedoch genauso entscheidend für einen Generationensprung. Dieser Verantwortung ist sich das brillante Team hinter Ubisofts futuristischem Open-World-Actiontitel Watch_Dogs mehr als bewusst.
Wie in unserer Berichterstattung letzte Woche genau beschrieben, ist das Kernkonzept des Spiels – dass die wichtigste Waffe des Protagonisten und Hackers Aiden Pearce keine Waffe sondern eine ganze Stadt ist – eine der gewagtesten und ambitioniertesten Ideen seit langer Zeit. Um etwas näher zu erfahren, wie das Spiel versucht, die Action-Grundregeln neu zu erfinden, hat sich PlayStation Blog mit dem Creative Director des Spiels, Jonathan Morin, zusammengesetzt …
PlayStation.Blog: Was war die erste aufkeimende Idee, die später zu Watch_Dogs heranwuchs?
Jonathan Morin: Es fing mit einem Gespräch an. Vor vier Jahren haben wir uns darüber unterhalten, wie Menschen ihr Leben und ihre persönlichen Daten via Telefon austauschen und wie das unseren Alltag verändern könnte.
Wenn man ein neues Spiel entwickelt, man dabei viel Freiraum hat und etwas Neues erschaffen darf, möchte man sichergehen, dass jeder im eigenen Umfeld an einem Thema arbeitet, für das er sich leidenschaftlich begeistern kann; etwas, in das er sich weiter vertiefen möchte. Sich diese Unterhaltungen anzuhören, hat also bei der Ideensuche geholfen. So in etwa: „Wir wollen uns alle mit diesen Themen beschäftigen, also versuchen wir es mal.” Je mehr wir uns unterhielten, desto mehr verrückte Ideen tauchten auf, wie etwa der Profiler. Und wenn man dann mal Prototypen für diese Dinge erstellt, explodieren die Ideen geradezu.
PlayStation.Blog: Ihr habt vor vier Jahren mit der Entwicklung begonnen. Für viele klingt das vielleicht nach recht viel Zeit für die Entwicklung eines einzigen Spiels …
Jonathan Morin: Am Anfang steht immer eine Konzeptphase, an der noch nicht viele Leute beteiligt sind. Lange Zeit waren wir nur 10, dann waren wir 20 oder 30. Man braucht einen bestimmten Typ Mensch – Menschen, die sich gern in Themen und Recherchen vertiefen, Elemente ausprobieren und auch mit Fehlschlägen umgehen können. Genau solche Leute hatten wir.
Wir brauchten lange, um festzulegen, was an dem Spiel ganz besonders sein sollte. Schon recht früh tauchte in unseren Gesprächen die Idee auf, eine ganze Stadt zu kontrollieren. Das Hacken der Ampeln war einer unserer ersten Prototypen. Das ließ die Emotionen wirklich hochgehen. „Woah, was? Kann ich das bei der nächsten auch machen?”
Bei solchen Dingen sagt man sich selbst: „Das ist so vielversprechend, dass es schon verrückt ist”. Man muss es dann aber verwirklichen und in ein System einbetten, das funktioniert. Diese vier Jahre wurden also zu einer großen Herausforderung für einige sehr schlaue Leute.
PlayStation.Blog: Die Kernidee, eine ganze Stadt als Waffe zu verwenden, ist wahnsinnig ambitioniert. Musstet ihr manchmal auch Kompromisse eingehen, um das Konzept in der Praxis umsetzen zu können?
Jonathan Morin: Eigentlich nicht. Wir mussten keine echten Kompromisse eingehen. Das Themengebiet ist sehr breit und bei einem Brainstorming kommt man dabei zu einer unendlichen Anzahl an Ideen. Irgendwann muss man dann aber mal sagen, „Hier hören wir auf, weiter gehen wir nicht”.
Ich sehe das nicht als Kompromiss, sondern als eine Notwendigkeit. Wenn man ein Spiel mit hoher Qualität machen will, in dem alles miteinander elegant zusammenspielt, kann man das nur schaffen, wenn man auch die Grenzen versteht.
Begrenzung kann von außen als negativ gesehen werden, aus der Innenperspektive führen klare Grenzen jedoch dazu, dass die Menschen schneller Ideen entwickeln. Die Begrenzungen geben Sicherheit. Hier hören wir auf. Und für den Rest gilt: Wenn es ein Thema gibt, das größer ist als ein einzelnes Spiel, und viele Ideen auftauchen und es Erfolg hat …. Dann ist das kein Problem, sondern etwas Gutes.
PlayStation.Blog: Wie sieht es mit Aidan Pierce aus? Wie ist diese Figur entstanden?
Jonathan Morin: Wichtig an Aidan Pierce ist, dass er ganz schön gewieft ist. Wir haben uns darüber viel unterhalten. Das klingt ganz logisch, aber wir haben uns zu Beginn ein Spiel wie Assassin’s Creed angesehen. Wir haben geschaut, wie die Charaktere sind und sich bewegen. Eines der Dinge, die uns in jedem Spiel fehlten, war die Kontextualisierung. All diese Figuren sind wie Roboter. Sie bewegen sich immer gleich, ganz egal in welcher Situation.
Können wir das ändern? Jemand, der schlau ist und selbst keine Aufmerksamkeit erregen soll, wird auf eine bestimmte Art und Weise gehen und sich seiner Umgebung sehr bewusst sein. Wir haben uns mit der Kontextualisierung also sehr viel Mühe gegeben. Und das hat alles beeinflusst, insbesondere sein Aussehen.
Wie etwa seine Maske. Wenn es im Spieluniversum eine Presse und Medien gibt, muss er darauf reagieren. Vor diesem Hintergrund wird er seine Maske aufsetzen, wenn er schlimme Dinge tut, damit er nicht erkannt wird.
Die Mütze? Er will nicht gesehen werden, also kann er sie ins Gesicht ziehen, wie all diese Hollywood-Schauspieler, die den Paparazzi entwischen wollen. Die haben immer Mützen auf. Das ist cool, ungewöhnlich. Kapuzenjacken sind schon viel zu abgedroschen.
Beim Mantel ist es dasselbe. Er umhüllt einen Großteil des Körpers und man kann darunter Dinge verstecken. Er erlaubt auch coole Interaktionen mit der Windphysik und schafft schön anzusehende Bewegungsflüsse. Es entsteht so eine zweite Bewegungsebene. Das fühlt sich für den Spieler viel realistischer an.
Das klingt alles ganz leicht und clever, doch es dauerte Jahre, bis wir diese Ideen hatten. Langsam eine nach der anderen.
PlayStation.Blog: Können Sie ein bisschen etwas zu den Unterschieden bei der PS4 sagen? Wie verbessert die nächste Generation das Spiel?
Jonathan Morin: Das Erlebnis ist dasselbe. Wir entfernen auf keiner Plattform irgendetwas vom grundlegenden Erlebnis. Wir wollen kein Spiel für irgendein Gerät entwickeln. Wir machen ein Spiel, weil wir es cool finden. Wenn man eine Idee entwickelt, sollte diese Idee nicht nur darauf basieren, was auf einem Gerät machbar ist oder nicht. Wenn man das so macht, dann macht man, glaube ich, etwas falsch.
Mit der PS4 konnten wir definitiv einen Teil des Spiels weiter vorantreiben, zum Beispiel die Windsimulation, das Wasser, die Umsetzung spezieller KI-Verhaltensweisen. Diese Elemente sind also verbesserte Versionen der grundlegenden Erfahrung in der nächsten Generation.
PlayStation.Blog: Welcher Aspekt der PS4 hat Sie am meisten überrascht oder begeistert?
Jonathan Morin: An der PS4 mag ich unter anderem die Philosophie, die aus kreativer Sicht sehr wichtig ist. Ich glaube, die nächste Spielgeneration wird mehr als je zuvor im Dienste des Spielers stehen. Die Spieler bestimmen nun, wie die nächste Generation aussehen sollte. Sie stehen ständig in Verbindung und führen jetzt ein ganz anderes Leben. Wir müssen also gesellschaftliche Änderungen berücksichtigen, um eine Form der Unterhaltung zu bieten, die dazu eine natürliche Erweiterung darstellt. Und ich glaube, Sony versteht das.
PlayStation.Blog: Ich weiß, dass Sie sich Ihre große Mehrspieler-Ankündigung für später aufsparen möchten. Könnten Sie aber schon ganz allgemein Ihre Herangehensweise an diesen Teil des Spiels erläutern?
Jonathan Morin: Man kann das Spiel im Einzelspieler- oder Mehrspielermodus spielen. Man befindet sich immer in der eigenen Sitzung. Wenn man allein spielt, spielt man allein. Das heißt, dass Millionen Menschen allein in ihren eigenen Sitzungen spielen. Wir haben nur die Möglichkeit geschaffen, diese Sitzungen nach unserem Wunsch zu verschmelzen.
Man kann sich frei herumbewegen und ganz natürlich eine Aktivität starten, die einen mit einem anderen Spieler in Verbindung bringt. Man interagiert mit dem Spieler, ist irgendwann fertig und das war’s. Man hat also nicht die ganze Zeit irgendjemanden im eigenen Spiel, der einem das Spiel kaputt machen kann. Es ist aber definitiv ein erster Lösungsansatz, um diese Tabus aufzulösen.
Spieler machen sich oft Sorgen, dass ein anderer Spieler ins Spiel kommt und ihr Erlebnis zerstört. Das ist eine altbackene Ansicht. Wir müssen eine Lösung für dieses Problem finden und es handelt sich um eine Frage des Designs, nicht der Technik: Wie bringt man zwei Spieler zusammen und lässt sie auf angenehme Weise interagieren?
So viel kann ich verraten: Wenn wir zusehen, wie Menschen zusammen Watch_Dogs spielen, merken sie meist nicht, dass eine Figur ein anderer Spieler war. Das wird nicht angezeigt. Es ist ganz schön toll, dass sich noch jemand im Spiel befinden und ganz natürlich zu einer Situation dazustoßen kann. Er wird dann zum Teil der Geschichte. „Das war ein anderer Spieler? Unmöglich! Ist das cool!” Sie bemerken das nicht. Das ist fantastisch!
Als Entwickler weiß ich natürlich sofort, wenn es sich um einen Spieler handelt. „Der Typ bewegt sich nicht wie eine KI, er ist ein Spieler.” Spieler werden das in Watch_Dogs aber nicht gleich bemerken. Das ist ein ganz neues Gefühl und passt perfekt ins Watch_Dogs-Universum, in dem jeder jeden beobachtet.
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