Die verstörende Reise geht weiter. Dabei haben die albtraumhafte Spielwelt und deren Bewohner jetzt deutlich mehr zu bieten
Es heißt, Fortsetzungen zu machen, sei schwer. Das soll nicht nur auf Bücher oder Filme, sondern auch auf Spiele zutreffen. Und während zahllose Beispiele jene These untermauern, gibt es andererseits einige strahlende Beispiele, um diese Behauptung Lügen zu strafen.
Wie wäre es etwa mit Resident Evil 2? Ein Sequel, das die Rezeptur des Vorgängers übernahm, verfeinerte und – in den Augen vieler Gamer – sogar etwas noch Spannenderes daraus machte. Und just jener japanische Videospiel-Designer, der für die berühmte Franchise verantwortlich zeichnete, verfolgt nun mit The Evil Within 2 bereits zum zweiten Mal seine Neuinterpretation von Horror: Shinji Mikami.
Starke Charaktere und bildgewaltige Sprache
Dabei konzentriert sich der Grusel-Experte in der Fortsetzung verstärkt auf die Charaktere, die in dieser Geschichte denkbar Schlimmes durchleben. Allen voran Protagonist Sebastian, der nicht nur regelmäßig ums nackte Überleben kämpft, sondern zudem einen wahren Selbstfindungstrip durchläuft, wie er im Genre bislang selten zu finden war. Überhaupt ist der unfreiwillige Held ein überzeugend herausgearbeiteter Überlebenskünstler, der neben Körpersprache, Mimik und dem ein oder anderen sarkastischen Spruch auch mit einem klar definierten Ziel überzeugen kann. Das trifft in abgeschwächter Form ebenfalls auf die meisten Nebenfiguren zu, die für einen Survival-Horror-Trip erstaunlich menschlich und greifbar wirken. Eine Seltenheit in einem Bereich, der sich oftmals allein auf seine bildgewaltigen Effekte verlässt.
Doch auf letztere müsst ihr in The Evil Within 2 ebenfalls nicht verzichten – im Gegenteil. Schließlich gehören jene grotesken Albtraumwelten und deren Inszenierung zum Besten, was das Genre zu bieten hat. Ebenso Stefano Valentini, der psychopathische Gegenspieler, der die mysteriöse Welt STEM nach seinen Wünschen formt. Diese Fähigkeit setzt er vorzugsweise dafür ein, um ahnungslose Opfer anzulocken und vor der Kamera brutal abzuschlachten. Daraus entstehen bizarre Skulpturen, deren Anblick ihr im Laufe des Abenteuers immer wieder ertragen müsst. Eine Atmosphäre aus Erstaunen, Neugier und Ekel macht sich in der Folge breit, die das Spiel bis zum Schluss nicht mehr los wird. Gut so, schließlich ist dies der optimale Nährboden für ein motivierendes Horrorspiel.
Eine Welt bricht zusammen
Während das Sequel hinsichtlich Narration und glaubwürdigen Charakteren punktet, hat sich auch bei der Spielstruktur einiges getan. Denn regelmäßig seid ihr jetzt in deutlich größeren Gebieten unterwegs, die freies Erforschen möglich machen. Dabei stellt Union, eine US-amerikanische Kleinstadt, schwerpunktmäßig den wichtigsten Schauplatz dar, in der sich das Grauen langsam, aber sicher ausbreitet.
Spannend auch die Rolle von Sebastians Tochter, deren Befindlichkeit sich direkt auf jene Welt STEM beziehungsweise auf den Zustand der Stadt auswirkt. Und weil sie sich in akuter Gefahr befindet, zerfällt der Ort eben Stück für Stück. Optisch beeindruckend gelöst, schweben ganze Straßenzüge verdreht im HImmel, während sich äußerst eigenartige Wetterphänomene abspielen. Dabei sind die gebotenen Areale nie zu groß und verfügen über ausreichend Landmarks, um stets die Orientierung zu bewahren. Dagegen stellen Mülltonnen und Autowracks nicht selten wertvolle Fundorte für Ressourcen im Spiel dar. Und so manchem herumstehenden Getränkeautomaten lässt sich mit ein wenig Beharrlichkeit – tretet einfach dagegen – in eine kleine Supply-Station verwandeln.
Praktisch, dass ihr ein Gerät dabei habt, das euch die Suche nach nützlichen Gegenständen gehörig erleichtert: der Kommunikator. Dieses an ein Funkgerät erinnerndes Tool kann diverse Audiosignale orten, an deren Ursprung sich immer wieder willkommene Items befinden. Zudem erlaubt der Gegenstand, Erinnerungen zu rekonstruieren, die die Hintergründe der Story etwas besser ausleuchten.
Offen, dann wieder beklemmend eng
Der Mix aus linearen Gebieten und der an sich recht offenen Welt wirkt durchdacht und in sich schlüssig. Natürlich ist manchmal etwas Gehirnakrobatik vonnöten, um einigen Erklärungen folgen zu können, doch die Umsetzung ist einfach geschickt gelöst. So sind die fließenden Übergänge zwischen inszenierten Sequenzen und Abschnitten mit relativ großer Freiheit nur deshalb möglich, weil die einzelnen Bereiche der Stadt durch ein Tunnelsystem, “Das Mark”, verbunden sind. Und die dort herrschende Enge steht in krassem Kontrast zur restlichen Welt.
Darüber hinaus gibt es Episoden, die schrecklich tief ins Reich der Psychopathen und Horrorgestalten führen. Doch wann es tatsächlich soweit ist, lässt sich eigentlich nie richtig abschätzen. Und so könnt ihr euch niemals gewiss sein, wann jene besonders unangenehmen Zeitgenossen nun auftauchen und euch die Hölle heiß machen. Schließlich seid ihr vielleicht gerade mit einer unspektakulären Sidequest beschäftigt, während plötzlich ringsum eine albtraumartige Szene entsteht, die euch den Verstand zu rauben droht.
Ihr merkt schon, The Evil Within 2 ist nichts für zarte Gemüter. Wer sich dennoch überwindet und den Mut aufbringt, sich bis zum Finish durchzubeißen, wird jedoch mit einer bemerkenswert intensiven Spielerfahrung belohnt.
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