Nour: Play With Your Food – Wir sprechen mit dem Entwickler über experimentelle Food Art

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Nour: Play With Your Food – Wir sprechen mit dem Entwickler über experimentelle Food Art

Wie Grafiktests zu einem Spiel führten, das den Appetit anregt

Was für eine explosive Ausdrucksstärke können wir von einem Entwickler erwarten, der unaufhörlich versucht, die Grenzen von Mittelmaß und Alltäglichkeit zu sprengen? Genau das wollten wir von dem Gamedesigner und digitalen Künstler TJ Hughes wissen, der unter seinem Pseudonym „Terrifying Jellyfish“ momentan am ästhetisch bahnbrechenden Abenteuer Nour: Play with Your Food arbeitet.

TJs erstes Projekt Feesh überzeugte durch mikroskopisches Arcade-Gameplay und lebendige Grafik und bewies seinen Willen, auch unter strengen Arbeitsbedingungen neue Wege zu gehen – konzipiert und fertiggestellt wurde das Spiel innerhalb von 48 Stunden bei einem Ludum Dare Game Jam. Ohne diesen engen Zeitrahmen kann der als „Terrifying Jellyfish“ bekannte Entwickler seinen Hang zu lebendigen Farben und Verspieltheit beim bei seinem nächsten Projekt, Nour: Play with Your Food, jetzt voll ausleben. Im heutigen Profil sprechen wir mit TJ Hughes über Nour, die Arbeit mit seinem Team, seinen eigenen Werdegang und Tipps für Entwickler, die der Gamingwelt ihren eigenen Stempel aufdrücken wollen.

PlayStation Blog: Was hat dich zu Nour: Play with Your Food“inspiriert?

Nour soll als experimentelles Spiel über die Ästhetik des Essens den Appetit anregen. Spieler können wie damals als Kind mit ihrem Essen spielen, ohne sich nachher ums Aufräumen kümmern zu müssen. Im Gegensatz zur Arbeit an Feesh ging der Entwicklungsprozess von Nour langsamer und methodischer vonstatten. Einen großen „Heureka-Moment“ gab es nicht.

„Ich lernte, wie man Shader erstellt, und überlegte mir, wie ich sie am besten einsetzen und emulieren könnte“, verrät uns Hughes. „Ich hatte gerade das Reisen für mich entdeckt und probierte neue Gerichte aus. Da kam mir die Idee für das Spiel. Als ich meine Testbilder auf Twitter hochlud, sagten mir die Leute, dass ihnen beim Anblick das Wasser im Mund zusammenlief. Das machte mich neugierig und so fing ich an, mit verschiedenen Techniken wie Volumenstreuung und Depth Blending zu experimentieren, um zum Beispiel die Struktur von Nudeln oder Milchwolken im Tee möglichst genau wiederzugeben. So kam nach und nach eine ganze Bibliothek an Grafiktricks zusammen, um Bilder appetitlich wirken zu lassen.”

Hughes entschied sich für einen physikbasierten Ansatz, um „Spielern möglichst freie Hand zu lassen, um sich richtig auszutoben, ohne sich um dreckige Küchen und verschwendetes Essen Gedanken machen zu müssen“.

„Bei einem physikbasierten Spiel verfolgen wir oft eins von zwei Zielen: Entweder muss alles so sorgfältig wie möglich arrangiert oder absolutes Chaos veranstaltet werden. Im Idealfall sollte man bei einem solchen Spiel sogar beides tun können!“

Das Nour-Team

Wie motivierst und ermutigst du deine Leute als Teamleiter?

Es ist hilfreich, wenn ein Team viele gemeinsame Interessen und Faszinationen teilt. So versteht man sich schnell und kommt in puncto Design leicht auf einen Nenner. Viele von uns sind nicht nur Kollegen, sondern vor allem auch Freunde. Dieses Vertrauen fließt in unser Projekt mit ein. Jeder Vorschlag aus dem Team zählt. So schaffen wir eine Atmosphäre, in der selbst die abstrusesten Ideen berücksichtigt werden. Und wir alle lieben Essen! Wir erzählen uns bei unseren Treffen oft, was wir essen oder kochen wollen. Oder aber das Treffen findet schon direkt in einem Restaurant statt.

Ursprung & Inspiration

Weißt du noch, was deine Liebe zu Videospielen geweckt hat?

„Das erste Videospiel, das ich toll fand, muss Sonic the Hedgehog 2 gewesen sein“, verrät Hughes, als wir ihn nach seinen frühen Gaming-Erinnerungen fragen. „Als jüngerer Bruder war ich meist Spieler 2 und musste Tails spielen. Ich durfte nur beim Einsammeln von Ringen helfen und Gegner für meinen Bruder erledigen. Tails hatte unendlich viele Leben, was großartig war, weil ich als Kind noch nicht gut spielen konnte. Unsere Endgegner haben wir immer besiegt, indem wir Tails angreifen ließen, während Sonic einfach nur den Gegnern auswich. Irgendwann kauften wir uns ein Buch voller Cheat-Codes für beliebte Spiele und erfuhren vom Debug-Mode-Cheat, mit dem man alles spawnen und durch Wände gehen kann. Das weckte unsere Neugier darauf, wie Spielmechaniken funktionieren. Stundenlang haben wir am Spiel herumgebastelt, bis es natürlich irgendwann abstürzte, weil wir zu viele Objekte gespawnt hatten.“

Ab diesem Zeitpunkt erzählte Hughes jedem Erwachsenen, der ihm zuhörte, dass er Gamedesigner werden wollte. Glücklicherweise fand er Inspiration und Unterstützung in seiner direkten Umgebung. Auch Hughes‘ Eltern drückten sich auf ihre eigene Art künstlerisch aus. Er bezeichnet sich als die perfekte Mischung ihrer beiden Leidenschaften: Seine Mom liebt Kunst, sein Dad ist ein Technikfreak.“

„Beide unterstützten mein Vorhaben. Das war für mich unglaublich und hat mein Selbstvertrauen sehr gestärkt“, fügt er hinzu.

Seinen Werdegang verdankt er nach eigenen Worten aber auch Carol Mertz sowie Ben und Dana Valenti von Rampant Interactive, die ihm seinen ersten Job in der Gaming-Branche verschafften, wodurch er erste Erfahrungen sammeln konnte.

„Ohne sie hätte ich vieles nicht erlebt, zum Beispiel meine erste Reise nach San Francisco zur Game Developers Conference“, sagt er. „Joey Paniello, mit dem ich zusammenarbeitete, brachte mir die meisten Programmiertechniken bei, die ich bis zum heutigen Tag verwende. Ich bin so froh, dass er auch bei Nour dabei ist!“

Kleiner Tipp an Spieleentwickler: Haltet es einfach und teilt eure Arbeit!

Bei seinem ersten Spiel Feesh kam Hughes irgendwann nicht mehr weiter, weil es ihm an Inhalten mangelte. Er war davon überzeugt, dass er für seinen Arcade-Titel einen Multiplayer-Modus brauchte, aber je weiter er sich einarbeitete, desto mehr wurde ihm klar, dass er nicht die dazu notwendigen Fähigkeiten und Erfahrung besaß.

„Ich sagte mir: ‚Das ist meine Form von Kunst‘. Das Spiel zeigt deutlich, wo ich karrieremäßig stand“, sagt er. „Ich hab das Spiel veröffentlicht, anstatt mich vom Ehrgeiz überwältigen zu lassen.“ Wegen der Größe seines Projekts verkaufte er es für 99 Cent und rechnete sich keinen Gewinn aus. Das erwies sich im Nachhinein als gute Entscheidung: Er lernte viel daraus und brachte seine Projekte in Umlauf. „Das Spiel war nicht sonderlich spektakulär, aber man sah das Herzblut, das in ihm steckte, und es wurde gut aufgenommen!“

Zwei wichtige Beobachtungen, die er während der Erfahrung gemacht hat, möchte er anderen Spieleentwicklern als Rat mit auf den Weg geben: Teilt eure Arbeit und haltet es einfach.

„Unterhaltet euch oft und lange über eure Projekte mit Leuten, denen ihr vertraut! Das bringt euch viel weiter, als in völliger Isolation zu arbeiten“, meint Hughes. „Ein Spiel lebt von der ständigen Kommunikation zwischen dir und dem Spieler. Die Reaktionen der Spieler sind von unermesslichem Wert.“

„Die Entwicklung von Spielen kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Manchmal halst man sich einfach zu viel Arbeit auf. Scheut euch also nicht, die Dinge einfach zu halten“, meint er. „Geht die Sache locker an und überarbeitet euch nicht. Macht einfach, was ihr könnt. Entwickler von Indie-Spielen müssen mit vielen Dingen gleichzeitig jonglieren, um ihr Business ins Rollen zu bringen. Nehmt euch Zeit für euch selbst und versucht, die Dinge nach und nach so zu organisieren, dass es euch die Arbeit erleichtert. Und schaut euch Videos auf TikTok an, wie man kleine Unternehmen führt und seine Steuern richtig macht und all das. Das müsst ihr im Blick behalten.“

Fazit

Panic Inc. ist der Publisher von Nour. Hughes ist überzeugt, dass ihre Zusammenarbeit zur Realisierung dieses einzigartigen Projekts in erheblichem Maß beigetragen hat. „Das ist das größte Projekt meines Lebens. Mit einem so angesehenen Publisher im Rücken freue ich mich noch mehr darauf, der Welt mein Endprodukt vorzustellen.“

Ob Nour oder andere Projekte, was macht letzten Endes ein „TJ Hughes“-Spiel aus?

„Wenn ihr ein winziges grafisches Detail seht, das so wirkt, als hätte jemand viel zu viel Zeit daran verschwendet, werdet ihr es wissen“, sagt er. „Mir wurde außerdem schon gesagt, dass meine Art, Farben einzusetzen, außergewöhnlich sei! Spiele wie Mirror‘s Edge, die auf einzigartige Weise mit Licht spielen, um eine gewisse Realitätstreue zu erzeugen, inspirieren mich. Ich setze stark auf Realismus, reize seine Grenzen aber auch gern in ein oder zwei Bereichen aus, um eine völlig neue Ästhetik zu erzeugen. Manchmal muss man nur ein paar Regler ein wenig übersteuern, um seiner Arbeit einen gewissen ‚Look‘ zu verleihen.“

Und was kommt als Nächstes?

„Ich will an weiteren Spielen und Projekten arbeiten, die mit Räumen interagieren und Leuten einen Grund geben, sich persönlich zu treffen“, erklärt Hughes. „Im Moment fasziniert mich das soziologische Konzept des Dritten Ortes sehr. Das sind Orte, an denen eine Gemeinschaft abseits vom eigenen Zuhause und Arbeitsplatz zusammenkommt. Für mich kann es gar nicht genug Orte geben, an denen man einfach abhängen kann, ohne Geld ausgeben zu müssen. Es wäre doch toll, wenn Spiele einen solchen Ort bieten könnten oder mehr Gleichgesinnte an solche Orte locken würden.“

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