Aktualisierung eines Horror-Klassikers in Amnesia: Rebirth

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Aktualisierung eines Horror-Klassikers in Amnesia: Rebirth

Das Horror-Abenteuer von Frictional Games erscheint später in diesem Monat auf PS4.

Als wir Amnesia: Rebirth gemacht haben wollten wir unbedingt das Gefühl des ursprünglichen Amnesia: The Dark Descent so weit wie möglich beibehalten. Gleichzeitig wollten wir, dass Rebirth sich wie eine neue Erfahrung anfühlt und das gewonnene Know-how nutzt, das wir in den letzten zehn Jahren seit der Veröffentlichung des ersten Spiels gesammelt haben.

Das Erschaffen von Gameplay-Systeme ist in einem Horror-Spiel etwas anders, als in anderen Genres. Anstatt zu versuchen, die Dinge unterhaltsamer zu gestalten, möchten man immer den immersiven Aspekt des Spiels ausbauen. So wie es bei einem Rennspiel viel Aufwand erfordert, die Erfahrung des Fahrens von echten Autos zu simulieren, möchten wir den Spieler als Hauptfigur in einem Horrorbuch oder Film simulieren.

In unserem Fall versuchen wir einen gotischen Horror zu simulieren. Insbesondere von den großen Meistern wie Poe, Stoker und Lovecraft. Deren Geschichten beinhalten normalerweise verletzliche Protagonisten, die eine beunruhigende Umgebunge erkunden müssen und sich mit ganz verschiedenen, äußerst verstörenden Dingen auseinandersetzen. Wenn man versucht diese Dinge umzusetzen, braucht man auch ein System, das die Vision umsetzen kann. 

Das ursprüngliche Amnesia hatte eine Reihe von Funktionen, die genau darauf abzielten. Während sie vor zehn Jahren gut funktioniert haben, konnten wir sie nicht schon wieder genau so verwenden. Also mussten wir uns in jedes System vertiefen und sehen, wie wir das Spiel verbessern können, um den Gothic-Horror zu simulieren.

Eine Fähigkeit ist es, verschiedene Dinge anzuzünden. In The Dark Descent sammelt der Spieler Zunderbüchsen und kann sie dann zum Anzünden von Fackeln, Kerzen usw. verwenden. Eine dunkle Umgebung auf diese Art zu beleuchte, ist wichtig, um das Gefühl zu bekommen, ein unbekanntes und gruseliges Gebietsschema zu erkunden. Es gab jedoch viele Probleme, das alte System in Rebirth zu bringen. Zum einen konnten wir keine Zunderbüchsen verwenden, da sie nicht mehr zu der Zeit passen, in der das Spiel stattfindet (1930er Jahre), und es fühlte sich auch immer etwas seltsam an, Kerzen per Klick anzuzünden.

Unsere Lösung war es dann einfach Streichhölzer zu verwenden, die angezündet werden, bevor eine Kerze oder Lampe entzündet werden kann. Auf diese Weise kann der Spieler viele nahe gelegene Lichtquellen gleichzeitig beleuchten und die Streichhölzer dienen als zusätzliche Lichtquelle. Dies scheint nur eine geringfügige Änderung zu sein, sie bringt jedoch viele Vorteile mit sich.

Wenn ihr euch beispielsweise in einem dunklen Tunnel befindet müsst ihr überlegen, ob ihr eure wertvollen Streichhölzer opfert oder sie für später aufbewahrt. Streichhöltzer werden durch schnelle Bewegungen ausgeblasen, ihr seid also gezwungen, langsamer zu gehen und über die nächsten Schritte nachzudenken. Ein Streichholz kann auch im falschen Moment ausgehen – genau dann, wenn sich bedrohliche Schritte nähern. Auf diese Weise können wir auch simulieren, dass der Spieler ohne Verwendung von Skriptereignissen ein Streichholz anzündet, um sich einer schrecklichen Kreatur gegenüber zu stellen. Ein Moment direkt aus einer Poe-Geschichte, aber alles basiert auf dynamischem Gameplay.

Das bringt uns zum nächsten System, dem Vernunftsystem von The Dark Descent. Im ursprünglichen Spiel funktionierte es so, dass die Dunkelheit an sich, aber auch bestimmte Anblicke eure geistige Gesundheit beeinträchtigten. Fiel sie zu tief,  seid ihr zusammengebrochen und habt Monster angezogen. Unsere Idee war es, die gotische Tradition zu emulieren, dass Charaktere verrückt werden, je weiter sie in ein sich entfaltendes Mysterium geraten.

Bei der Neuimplementierung für Rebirth waren die wichtigsten Aktualisierungen nicht nur auf systemischer, sondern auch auf narrativer Ebene. Während wir viele Optimierungen vorgenommen haben, damit das gesamte System reaktiver wird, war die wichtigste Änderung, wie sich alles am Ende auf den Spieler auswirkt. Eine generische Vorstellung von „geistiger Gesundheit“ zu haben, die sich verschlechtert, fühlte sich für uns ebenfalls etwas zu simpel an. In Rebirth wird der Protagonist Tasi von einer mysteriösen Krankheit heimgesucht, die fester Teil der Geschichte ist. Je mehr Angst Tasi vor Dunkelheit oder schrecklichen Anblicken hat, desto schlimmer werden die Symptome der Krankheit. Dies bedeutet, dass wir den Spielern jetzt einen viszeralen Grund geben, sich um die eigene Angst zu kümmern.

Dies basiert auf einer Lehre aus unserem vorherigen Spiel, SOMA. Hier lag das Hauptaugenmerk des Spiels darauf, das Bewusstsein und die Bedeutung des Menschseins zu erforschen. Dies kann nicht wirklich über das Moment-zu-Moment-Gameplay erreicht werden. Stattdessen mussten wir da über viele Stunden des Games langsam brauen lassen. SOMA so zu gestalten war für uns ein großes Glücksspiel. Wir wussten nicht, ob es funktionieren würde und da für den Versuchviel benötigt wurde, waren die Iterationszeiten lang und frustrierend. Zum Glück hat es sich ausgezahlt und uns das Vertrauen gegeben, bei Rebirth etwas Ähnliches zu tun.

Der sich verschlechternde Zustand von Tasi entwickelt sich im Laufe der Zeit. Um sicherzustellen, dass es genau richtig passt, weben wir eine zentrale narrative Motivation ein. Ich fürchte, ich kann nicht so genau auf diesen Teil der Geschichte eingehen, da wir ihn bis zur Veröffentlichung geheim halten wollen. Aber wir hoffen, dass es genauso wirkungsvoll ist wie der Gedankenaustausch in SOMA – wenn nicht noch mehr.

Ein weiterer Aspekt von The Dark Descent, der dringend aktualisiert werden musste, war das Fehlersystem. Wir haben aus unseren frühen Penumbra-Spielen gelernt, dass man Spieler nicht zwingen sollte, den selben Abschnitt immer wieder zu wiederholen, da das die Angst stark reduziert. Wiederholung und Frustration holen die Spieler aus ihrer Immersion heraus und ersetzen Fantasien von echten Monstern durch abstrakte Vorstellungen des Spielsystems.

The Dark Descent lief es folgendermaßen: Wenn der Spieler von einem Monster besiegt wurde, mussten er oder sie keinen traditionellen Neustart durchführen. Stattdessen wurden man etwas zurück teleportiert und in der Umgebung hat sich etwas verändert. Manchmal erschien ein neues Monster, manchmal wurde es durch einen anderen Schrecken ersetzt, und manchmal blieb einfach gar keine Bedrohung mehr übrig. Dadurch gab es keine Frustration, keine Wiederholungen und es funktionierte gut. Das heißt, solange der Spieler nicht wusste, wie das System funktioniert. Sobald man dahinter kam, konnten man aber jede Hürde leicht durch stumpfes draufzurennen umgehen.

Wir wussten, dass wir einige Änderungen daran vornehmen mussten. Unsere Lösung bestand darin, es in das Angstsystem einfach mit einzubinden. Wenn Tasi zu ängstlich wird, wird sich ihr Leiden verschlimmern. Es wird sichtbare Veränderungen in ihrem Aussehen geben. Und was noch viel schlimmer ist: Das ganze hat eine immense erzählerische Bedeutung. Wenn das Leiden zu weit geht, bedroht es nicht nur das Leben der Protagonistin selbst, sondern auch das ihrer Lieben.

Das gesamte Angstsystem hat sich von einer spielerischen Ergänzung zu einem integralen Bestandteil der gesamten Geschichte entwickelt. Es hat uns wirklich geholfen, ein drohendes Gefühl der Angst zu simulieren und das Gefühl des Abstiegs des Charakters in einer Spirale voller Verzweiflung einzufangen.

Abschließend möchte ich euch noch erzählen, wie sich all das zu einem Ganzen zusammenfügt. So zufrieden wir mit SOMA waren, wir hatten nie das Gefühl, dass das Gameplay unsere allgemeine Erzählung perfekt unterstützt. Das wollten wir hier nun besser machen. In Amnesia: Rebirth wird die Erzählung überall unterstützt: Vom Moment-zu-Moment-System bis zur übergeordneten Erzählung.

Es ist schwer zu beschreiben, wie am Ende alles zusammenkommt. Am besten, ihr probiert es einfach selbst aus, wenn es am 20. Oktober 2020 auf PS4 erscheint. Nutzt die Chance, einen Horror-Roman von innen heraus zu erleben.

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