Was ist schon real? State of Mind ist ein clever konstruiertes Cyberpunk-Adventure Made in Germany.
Das Jahr 2048: Die Umweltzerstörung hat ein ungeahntes Maß erreicht, Gewalt und Kriminalität herrscht in den Großstädten und abgesehen von einer kleinen Elite, leben die meisten Menschen in elendigen Verhältnissen.
Die dystopische Zukunftsversion aus der Feder des preisgekrönten Romanautors und Adventure-Spezialisten Martin Ganteföhr zeichnet in dem 3D-Adventure State of Mind ein unerfreulich düsteres Bild einer geteilten Gesellschaft.
Auf der einen Seite Neo-Berlin, eine übervölkerte Metropole mit eskalierendem Polizeistaat. Auf der anderen Seite City5, ein virtuelles Utopia, mit Androiden-Haushaltshilfen, selbstfahrenden Autos und perfekten Augmented Reality-Anwendungen.
Mehr Schein als Sein
Mittendrin in dem futuristischen Schlamassel befindet sich der Journalist Richard Nolan, der nach einem terroristischen Anschlag in Berlin sein Bewusstsein verliert und in einem ultramodernen Krankenhaus aufwacht.
Die folgende Untersuchung durch den Arzt ist gleichzeitig eine geschickt in die Story eingewobene Einleitung, um ein paar notwenige spielmechanische Hintergründe zu vermitteln. Ohne dabei auf langweilige Texteinblendungen oder ausufernde Videosequenzen zurückzugreifen.
Ich soll anhand von Fotos meine Frau identifizieren oder mich an den Namen einer guten Freundin erinnern. Ich habe keine Ahnung, genau wie Richard, der nach dem actionreichen Intro offenbar unter erheblichen Gedächtnislücken leidet.
Also tippe ich einfach mal ein bisschen, wird schon passen. Wenn ich falsch liege, korrigiert mich der Mediziner. So langsam bekommt mein Alter-Ego eine Kontur und ich erfahre, dass er als leitender Redakteur bei dem Magazin The Voice arbeitet, dort über die neuesten Errungenschaften der modernen Welt schreibt und sich als unbequemer Kritiker des Establishment einen Namen gemacht hat.
Ohne groß zu spoilern: Richards Bewusstsein sollte von der realen Welt in die virtuelle Stadt City5 hochgeladen werden, was allerdings gehörig schief lief. Eine richtig gute Ausgangslage für eine spannende SF-Story.
Zwischen den Welten
Zuerst kehre ich einmal in mein Appartement zurück und bewundere die Blade Runner-Aussicht auf futuristischen Hochhausschluchten und überdimensionalen Werbebotschaften. Meinen etwas zickigen Haushalts-Androiden kann ich miesmutig angiften und dazu zwingen, sich selber abzuschalten oder alternativ seine Hilfe in Anspruch nehmen.
Das steht mir frei und meine Entscheidungen haben, wie es oft im Spiel sein wird, dabei eine Auswirkung auf den weiteren Verlauf des Geschehens. Während der spielbaren Demo erkunde ich weitere Schauplätze zwischen realer und virtueller Welt, wie die U-Bahn-Schächte Berlins oder mysteriöse Labore, in denen künstliche Körper zu Forschungszwecken gezüchtet werden und Kampfdroiden patrouillieren. Es wird fleißig gehackt und gerätselt, um einen Schritt weiter zu kommen.
Einmal soll ein Raum durchquert werden, ohne einen Alram auszulösen. Das funktioniert nur, wenn ich vorher mit einer Drohne strategisch clever Container platziere, um Lichtschranken zu blockieren. Ein anderes Mal arbeite ich mit einer weiteren Person zusammen und wechsle zwischen den Protagonisten, um Hindernisse überwinden zu können. Allzu schwer sind die Knobeleinlagen nicht, der Fokus liegt auf dem spannenden Geschehen und die Immersion soll ja nicht durch Frust zerstört werden.
Gedanken der Entwickler
Im Gespräch mit Kai Fiebig, dem Head of Production für State of Mind bei Daedalic Entertainment, erfahre ich, dass alle im Spiel gezeigten Technologien auf einer soliden Forschungsbasis stehen. Selbstfahrende Autos, Augmented Reality, künstliche Intelligenz, Kontaktlinsen mit Kamera: das ist alles keine Zukunftsmusik.
“Es dreht sich um die Frage, welche Konsequenzen sich aus der Anwendung neuer Technologien ergeben”, erklärt mir Fiebig. Entsprechend düster kommt der Grundton des 3D-Adventures daher, das nicht mit Sozialkritik spart, wenn es um den Einfluss der technischen Errungenschaften auf die Entwicklung der Gesellschaft geht.
Und ganz so rosig sieht es, zumindest laut dem kreative Kopf Ganteföhr, eben nicht für die Zukunft aus. Richtig gut gefallen hat mir auch die ungewöhnlichen Optik, die mit ihrer Low-Polygon-Grafik wie ein 1990er-Revival daherkommt und perfekt mit der Tonalität des Spiel harmoniert.
Wenn euch der Quantic Dream-Blockbuster Detroit: Become Human begeistert hat, wird euch das thematisch ähnliche State of Mind garantiert gefallen.
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