Nachdem sich der Vorgänger ordentlich bei Der Herr der Ringe bediente, dreht sich diesmal alles um Superhelden, Zeitreisen und natürlich gigantische Fürze.
High Fantasy war gestern, jetzt werden Marvel und DC durch den Kakao gezogen! Schließlich erfreuen sich Comicverfilmungen derzeit größter Beliebtheit. Da liegt es auf der Hand, jene Figuren und Welten zu parodieren.
Doch obgleich sich das Setting gehörig änderte, fühlt sich South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe erstaunlich vertraut an. Darüber hinaus wurde an so mancher Schraube gedreht, um aus einem vormals guten Rollenspiel ein schlicht grandioses zu zaubern.
Die Entstehung einer Legende
Natürlich braucht ein wahrer Superheld auch eine Hintergrundgeschichte. Eine bewegende Erzählung, die seinem Dasein und seinen Kräften erst Bedeutung verleiht. Doch in South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe sind jene Ereignisse, die für seine Entwicklung ausschlaggebend waren, mehr peinlich, denn episch (etwa die Eltern beim Sex erwischen). Nichtsdestotrotz gilt es, eine heroische Figur aufzubauen inklusive Geschlecht (es gibt auch eine Transgender-Option), Superpower sowie diverser Schwachstellen.
Wählt aus knapp einem Dutzend verschiedener Klassen und gestaltet einen einzigartigen Helden, der seine vier aktiven Kampf-Skills aus einem großen Angebot an Attacken wählen darf. Und im Gegensatz zu all den anderen Kindern, die offensichtlich über keine Kräfte außerhalb der Scharmützel verfügen, ist der Protagonist dieser Geschichte tatsächlich mit wahrer Superpower gesegnet. Schließlich sind die Fürze, die ihr regelmäßig mit ihm abfeuert, äußerst nützlich und werden euch nicht nur einmal euren Allerwertesten retten. Fein, dass es sich hier also nicht nur um spielerisch heiße Luft handelt, sondern tatsächlich das Gameplay an vielen Stellen erweitert. Wie genau das abläuft, findet ihr jedoch am besten selbst heraus.
Taktischer Anspruch inklusive
Während der Vorgänger hinsichtlich der Kämpfe nicht gerade viel Abwechslung zu bieten hatte, gingen die Entwickler im Sequel andere Wege. So gibt es jetzt anstatt eines recht starren rundenbasierten Systems eine viel dynamischere Variante. Zwar laufen die Auseinandersetzungen noch immer in Phasen ab, allerdings gestalten sie sich dank der zahlreichen Optionen viel strategischer und vielfältiger. So spielt etwa die Reichweite der Angriffe eine große Rolle, da manche auf eine ganze Reihe an Gegnern wirken, während andere Attacken mehrere Felder (ein Schachbrett-Raster kommt zum Einsatz) Abstand benötigen. Darüber hinaus wollen diverse Flächenangriffe und Zaubersprüche wohl überlegt eingesetzt werden.
Und da manchmal so richtig viel los ist auf dem Schlachtfeld, solltet ihr darauf achten, euch nicht gegenseitig im Weg herumzustehen. Schließlich ist es ein Superhelden-Party-Rollenspiel – da kann eine Superkraft schon mal ausarten und zu unerwünschtem Friendly-Fire führen, euch also gegenseitig Schaden zufügen. Positioniert eure Charaktere wohlüberlegt, bevor ihr euch ins Getümmel werft. Dabei fühlen sich die Kämpfe ob der vielen Möglichkeiten stets frisch und fordernd an und eröffnen einen strategischen Tiefgang, den der typisch frech-bunte Comic-Look von South Park zu Beginn nicht vermuten lässt.
Parabel aufs wahre Leben
Während es also spielerisch anspruchsvoller geworden ist, verfügt auch der Nachfolger über den gewissen Bonus: die Umsetzung seiner grandiosen TV-Vorlage. Zwar mag es für manche Spieler vielleicht nicht mehr so faszinierend sein wie einst, ein weiteres Mal durch South Park zu ziehen, doch gibt es zahlreiche neue Locations, die einen Besuch rechtfertigen. Denn in der an sich recht überschaubaren Spielwelt offenbaren sich mit der Zeit viele, großteils urkomische Details, die man einfach erlebt haben sollte. Unzählige Gags und Anspielungen warten, sodass es eine wahre Freude für alle South-Park-Fans ist, Teil von diesem Universum zu sein.
Der Präsentation des Rollenspiels trägt ebenfalls viel dazu bei, ganz in jene Welt abzutauchen. Schließlich ist die Optik verdammt nah am TV-Original dran, was dazu führt, dass es sich regelmäßig wie eine 20-stündige-Folge anfühlt denn ein Videospiel. Nicht zuletzt wegen der Originalsprecher, die in der englischen und der deutschen Fassung (beinahe) gleichermaßen die vertraute Atmosphäre auf eurer PlayStation 4 zum Leben erwecken. Allerdings ist – wie im Fernsehen – der Originalfassung der Vorzug zu geben. Denn so manches Wortspiel funktioniert einfach nur auf Englisch perfekt.
Selbstverständlich gibt es auch hier wieder jede Menge Kritik an Politik und Gesellschaft, die gewohnt direkt, manchmal aber auch überraschend subtil ins Spielgeschehen integriert wurde. Es ist einfach erfrischend zu beobachten, dass kritische politische Botschaften in einem Videospiel stecken, das dennoch (oder gerade deshalb) besonders viel Spaß und Unterhaltung bietet. Von ausufernder Polizeigewalt über soziale Gerechtigkeit bis hin zu Gender-Themen handelt South Park: Die rektakuläre Zerreißprobe auf satirische Art so ziemlich jedes aktuelle Problemfeld ab. Nicht zuletzt über Donald Trump haben die Macher einiges zu sagen – und das fällt nicht gerade wertschätzend aus.
Die wahre Leistung von diesem Abenteuer ist somit, dass es trotz all der kritischen Inhalte unfassbar lustig und motivierend bleibt. Und das funktioniert nur deshalb so gut, weil hier etwas existiert, was in anderen Spielen schlicht nicht zu finden ist: feinster South-Park-Humor.
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