Allein in ihrem Kopf – 4 Gründe wieso ihr The Town of Light besuchen solltet

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Allein in ihrem Kopf – 4 Gründe wieso ihr The Town of Light besuchen solltet

Lasst euch von den italienischen Entwicklern von LKA.it auf eine verstörend menschliche Reise schicken.

Spiele sind eine spannende Sache; eine bunte Vielfalt an Genres, die nicht nur in Sachen Gameplay für Abwechslung sorgen, sondern auch ein breites Spektrum an Unterhaltung bieten. Doch obwohl die Formen und die Tonalität dieses Spektrums breit gefächert sind, fällt es meist nicht sonderlich tief aus. Das sollte natürlich nicht überraschen, schließlich suchen die meisten Spieler unter uns nach leicht konsumierbarer Unterhaltung (das soll jetzt nicht negativ behaftet sein!) und nicht selten nach einer Möglichkeit der echten Welt zu entfliehen.

Action ist laut und überdreht, Horror meist erschreckend, doch abstrakt, und wenn wir es wollen, dann können wir als magiebegabte Elfen ganze Gegnerhorden einäschern. Wir werden zu Helden, zu Personen größer als das Leben selbst, doch eines sind wir in diesen Spielen selten…Menschen.

Dabei ist es dieses Auseinandersetzen mit unseren täglichen Ängsten, unseren inneren Dämonen und Unsicherheiten — kurz unserer Menschlichkeit — was eine kleine Gruppe von Titeln, darunter Firewatch, What Remains of Edith Fitch oder Gone Home zu herausragenden Erfahrungen machen.

Auch das italienische Studio LKA.it möchte uns eine Erfahrung in dieser Art bescheren, gehen aber mit ihrem psychologischen Adventure The Town of Light noch einen Schritt weiter. Wie unangenehm gut das Ergebnis geworden ist, konnten wir bei einem Besuch der Entwickler am eigenen Leib erfahren. Aber was macht The Town of Light zu so einer intensiven Erfahrung?

1. Das Setting

The Town of Light spielt in der Nervenheilanstalt Volterra in der Toskana, und wurde von realen Begebenheiten inspiriert. Nachdem die italienische Regierung ein neues Gesetz erließ, das die Menschenwürde von Patienten stärken sollte, schloss die Anstalt, seit einem guten Jahrhundert in Betrieb, in den späten 1970er Jahren ihre Pforten. “Dies ist ein Ort, an den Menschen mit Problemen geschickt wurden, um zu verschwinden. Es war kein Ort der Heilung”, erklärt uns Luca Dalcò, Art Director und Screenwriter von The Town of Light, während wir durch die verfallenen Gewölbe wandern.

Erleben werdet ihr den Titel nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in den Erinnerungen des 16-jährigen Mädchens Renee, die damals in diese Einrichtung ob ihre schizophrenen Angstzustände eingeliefert wurde. “Aus dieser Anstalt gibt es noch erstaunlich viele Unterlagen und Zeitzeugen. Ich habe sehr, sehr viel recherchiert und mich mit Menschen darüber unterhalten. Renee hat es nicht wirklich gegeben, das Schicksal einer echten Person nachzuerzählen, kam uns nicht richtig vor. Man kann sich Renee als das Gesicht der Geschichte all jener vorstellen, die in dieser Einrichtung ihr Dasein fristen mussten”, so Dalcò.

Viele solcher Unterlagen kann man beim Erkunden der Anstalt finden und erhält so einen Einblick in die Zustände der damaligen Zeit, sowie die Krankheiten und Behandlungsmethoden, unter denen die Patienten litten.

2. Der Schauplatz

Ein Großteil der Atmosphäre ist natürlich der sehr detailgetreuen Abbildung des Volterra-Komplexes geschuldet, für die das Team sehr viel Mühe auf sich genommen hat. Die verfallenen Gänge und Räume sind mit altem Unrat überseht, die Behandlungszimmer sind mit rostenden Tischen und Apparaturen versehen, die selbst in der Nachmittagssonne für einen Schauer im Rückenbereich sorgen. Jeder Gegenstand hat eine Geschichte zu erzählen und keine davon ist jemals schön. Luca Dalcò erinnert sich: “Es ist ein seltsames Gefühl tatsächlich durch diese Gänge zu wandern; bedrückend und ungemütlich.”

Allein der Schauplatz sorgt bei eurer virtuellen Erkundungstour für ein mulmiges Gefühl, dabei sind ist die Szenerie oft durch eine beinahe friedliche Beleuchtung unterlegt. Es ist erstaunlich was das Team aus der Unity-Engine, mit der Unterstützung der PS4-Hardware (der Titel wird auch die Features der PS4 Pro nutzen), herausgeholt hat. “Damals wusste ich noch garnicht, das einmal ein Spiel daraus entstehen würde. Ich und ein Kollege entdeckten den Komplex und nutzen ihn als Grundlage für einen Unity-Test. Das Material erregte Aufmerksamkeit und schürte bei einigen das Interesse an einer Zusammenarbeit. Nachdem wir unsere Tech-Demo auf einer Messe für Videospiele das erste Mal vor Publikum demonstrierten, wurden wir darauf angesprochen, ob wir daraus nicht ein Spiel machen wollten,” erinnert sich Dalcò.

3. Die Effekte

Doch nicht nur die Umgebung trägt zur sehr speziellen Stimmung des Titels bei. Besonders bei den Effekten spielen die Entwickler gekonnt mit unserer Gefühlsebene. Sei es mit den sanften Klavierstücken, die eure Suche nach der Wahrheit begleiten oder den bedrohlich wirkenden Klängen, die auf euch und Renee während einer ihrer Episoden wirken. Besonders beeindruckt waren wir in diesem Zusammenhang von Renees erstem Tag in der Anstalt, bei dem sich ein kurzer Gang über einen Flur zu einem surrealen Marathon durch sich windende Gänge entwickelt, während gleißende Lichter und verstörende Geräusche auf das verängstigte Mädchen einhämmern.

“Wir haben uns sehr darum bemüht, eine akkurate Darstellung von Renees Problemen zu schaffen. Im Zuge der Entwicklung trafen wir uns mit Patienten die mit Schizophrenie zu kämpfen haben und mit Ärzten, die sich damit beschäftigen. Eine Gemeinsamkeit in den Symptomen sind oft das Wahrnehmen von grellen Lichtern, lauten Geräuschen und die Veränderung der räumlichen Wahrnehmung. Bei der räumlichen Wahrnehmung liesen wir uns von den Werken von M.C. Esher inspirieren.”

In der deutschen Version leiht übrigens die YouTuberin Pandorya dem Spiel ihre Stimme und liefert eine überzeugende Performance.

4. Respekt & Mitgefühl

Bei so einem schweren Stoff kann es schon mal kompliziert werden, die notwendige Distanz zu wahren und bestimmte Darstellungen richtig zu treffen. Doch für Luca Dalcò war dieser Balanceakt ein zentrales Element: “Ein respektvoller Umgang mit der Materie ist für uns besonders wichtig. Aus der Sicht von Renee ist das Pflegepersonal vielleicht monströs, aber es ist nicht unsere Absicht, es an den Pranger zu stellen. Die damaligen Zustände waren katastrophal, in den schlimmsten Zeiten kamen auf 500 Patienten ca. zwei PflegerInnen, die rund um die Uhr Dienst hatten. Patienten im Bett festzubinden war oft die einzige Möglichkeit nicht im Chaos zu versinken.”

“Wir haben versucht, so authentisch wie möglich zu bleiben, was auch bedeutet, dass die Spieler einige sehr ungemütliche Szenen erwarten”. The Town of Light ist definitiv nichts für schwache Mägen, denn die akkurate Darstellung damaliger Behandlungsmethoden lässt einen erahnen, wie traumatisch es sein musste, in dieser Zeit ein mentales Leiden zu haben. Ob es auch Dinge gab, die selbst den Entwicklern zu heftig für das Spiel schienen? “Auf jeden Fall”, erläutert Luca Dalcò. “In Volterra sind aus heutiger Sicht unvorstellbare Dinge geschehen. Bei diesen zogen wir die Grenze, was wir im Spiel zeigen würden.”

Aber die größte Leistung des Spiels? Das Mitgefühl, das es in uns für Renee und andere Patienten weckt. The Town of Light trifft uns gekonnt an den unangenehmen Stellen, zeigt uns ungemütliche Situationen und konfrontiert uns mit schlimmen Dingen. Und trotz all dieser Dinge möchten wir Renee beistehen und wenn nur als stiller Beobachter — als Zeuge ihrer Geschichte. “Es ist erstaunlich, wie viele Menschen in Europa an einer Form von mentaler Erkrankung leiden und für gesunde Menschen ist es nur schwer nachzuvollziehen, wie es ist, keine Kontrolle über etwas so intimes wie seinen Verstand zu haben. Vielleicht hilft unsere Schöpfung dabei, etwas mehr Verständnis und Mitgefühl gegenüber solchen Menschen zu schaffen. Das wäre schön.”

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