Hinter den Klassikern – Oddworld: Abe’s Oddysee

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Hinter den Klassikern – Oddworld: Abe’s Oddysee

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Die Fortsetzung unserer laufenden Serie Hinter den Klassikern führt uns diese Woche in das seltsame und wunderbare Land von Oddworld. Es hat vielleicht nicht 20 Millionen Exemplare verkauft, aber nur wenige Spiele der PlayStation-Ära haben so eine treue Anhängerschaft wie Abe’s Oddysee und seine Fortsetzungen. Und das aus gutem Grund – Lorne Lannings wunderschönes, seitwärts scrollendes Fantasy-Abenteuer ist eine der üppigsten, einzigartigsten Spielwelten, die jemals geschaffen wurden, und sein Held Abe gehört zu den exzentrischsten Protagonisten im Gaming überhaupt.

Da aktuell ein HD-Remake entwickelt wird, trafen wir uns mit dem Schöpfer des Spiels, um herauszufinden, wie das Original 1997 zustande kam. Lehnt euch zurück und genießt es – und wenn der Titel für euch neu ist, vergesst nicht, dass ihr ihn jetzt für euer PS Vita-System im PS Store herunterladen könnt. Seht es euch an – das ist ein Spielerlebnis, das einfach dazugehört, wenn man sich ernsthaft als Gamer bezeichnen will.

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Was war das ursprüngliche Konzept für das Spiel?
Lorne Lanning: Auf einer sehr praktischen Ebene bemühten wir uns bei Spielen um einen tieferen und ansprechenderen Sinn der Geschichte und der emotionalen Charakter-Entwicklung. Charakter-Entwicklung, Produktionsdesign, Animation und Effekte brachten wir aus der Filmindustrie mit. Wir wollten das Gefühl haben, nicht nur eine Herausforderung zu bewältigen, sondern das Schicksal von jemandem zu spielen – also jemandem, für den man verantwortlich ist.

Auf einer eher philosophischen Ebene wollte ich möglichst viel Pop aus der Popkultur nehmen und ihn in sinnvolle moderne Mythen verwandeln, die eine große Anziehungskraft auf ein breiteres Publikum haben würden. Wir waren außerdem der Auffassung, dass die Leute durch Spiele mehr Selbstvertrauen gewinnen könnten. Daher haben wir den Antihelden zu unserer Hauptfigur gemacht. Abe war nicht der muskelbepackte Superheld, der wir alle sein wollen – er war eher der armselige Trottel, der wir wohl eher sind. Es ging darum, eine Reise anzutreten, durch die wir uns von den machtlosen Wesen lösten, für die wir uns halten und von dem Ort entfernten, an dem wir uns üblicherweise befinden, also ganz unten in der Nahrungskette der weltweiten Großkonzerne.

Auf geschäftlicher Ebene glaubten wir, dass wir, wenn wir die oben genannten konzeptionellen Ziele knacken könnten, die Chance hätten, eine Qualitätsmarke zu schaffen, die sich dadurch auszeichnete, dass sie ihrem Publikum eine intelligentere – wenn auch sarkastisch-ironische – Perspektive bot, auf die sie sich einlassen konnten.

Damals glaubten wir, dass genug Platz dafür war, eine qualitativ hochwertige und integere Marke zu schaffen, die rund um den dysfunktionalen gesprungenen Spiegel unserer echten Welt angesiedelt war, so wie sie in unsere sagenhaft komische und herzergreifende Welt hineinreflektiert wird, und dass wir damit eine Marke etablieren könnten, die in der Zukunft Bestand hätte.

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Wovon hast du dich inspirieren lassen, als du Aussehen und Bedienung des Spiels festgelegt hast?
Lorne Lanning: Obgleich 3D die tolle neue Echtzeit-Technik der PS1-Ära war, gefiel mir das gar nicht, denn ich hatte mich bereits 10 Jahre lang mit 3D-Grafik beschäftigt, ehe ich Sherry McKenna dazu überredet habe, Oddworld mit mir zu gründen. Wir wussten sehr genau, welche Möglichkeiten 3D zu dem Zeitpunkt für Konsolenspiele nicht bot. Stattdessen konzentrierten wir uns darauf, die lebensnahen Aspekte der Charaktere und Umgebungen zu schaffen. Ihre Animationen, ihre Soundeffekte – wir wollten einfach, dass es sich mehr anfühlt wie im Film.

Der Film war also die entscheidende Inspiration, aber abgesehen von reinen Rennspielen und Spielen im Arcade-Stil hatte ich persönlich am meisten Spaß an den frühen Jump ‘n’ Runs wie Prince of Persia, Another World und Flashback. Die Spiele habe ich wirklich geliebt, doch am wichtigsten war, dass ich bei diesen Spielen das Gefühl hatte, eine Lebensform zu steuern und nicht nur ein Kunstwerk in einem Geschicklichkeitswettbewerb.

Die Animationen, die feste Kamera, der filmartige Ton und die Stimmung dieser Spiele, in denen Geschichte, Action und Abenteuer auf clevere, konzentrierte Art miteinander verschmelzen, fesselten mich auf eine Weise, die ich viel inspirierender fand.

Während sich also die meisten Entwickler in Richtung 3D bewegten, bemühten wir uns, tiefgründigere Charaktere und ein Spiel zu schaffen, das emotional mehr Sinn machte. Für mich ging es nicht um die Technik, sondern um die Handlung und darum, dass das Gameplay ein paar neue interessante Wendungen macht und damit die Mechanik der Aufgaben enger mit dem Charakter und der Geschichte verwoben wird.

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Als es herauskam, setzte es wirklich einen Standard für 2D-Grafiken. War die Entwicklung denn schwierig?
Lorne Lanning: Es war die Hölle. Es gingen so viele Sachen schief und ehrlich gesagt hätte es das Spiel wohl nie bis in die Regale geschafft, wenn Sherry McKenna nicht so eine knallharte Verhandlerin und Strategin wäre. Das Team hat sich echt durch harte Zeiten gebissen und die Leute wollten bei dem Projekt wirklich gute Arbeit abliefern, aber Sherry war diejenige, die all das möglich machte. Sie sorgte dafür, dass das Geld weiter floss, während anderen Firmen der Geldhahn zugedreht wurde.

Wenn man an all die Hindernisse denkt, war es härter als ich es mir je vorgestellt hätte. Logisch betrachtet hätten wir scheitern müssen, doch durch unser enormes Engagement und unsere absolute Entschlossenheit unter der Führung einer unnachgiebig optimistischen Kraft – alias Sherry – setzten wir uns schließlich durch. Aber es war unglaublich aufreibend, die Firma, eine Engine und das Spiel mit einem einzigen Budget aufzubauen. Das hat wehgetan.

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Auf welches Element des Spiels bist du am meisten stolz und welches Element, falls überhaupt, hältst du für verfehlt? Bereust du das Checkpoint-System?
Lorne Lanning: Tja, stimmt, das Checkpoint-System war ein echter Misthaufen, der uns Nerven kostete. Das hatte was mit Kodierungsproblemen zu tun und wir waren echt lange damit beschäftigt, Code und Design und Richtung miteinander in Einklang zu bringen. Es war eine neue Firma, neue Leute, die zum ersten Mal miteinander arbeiteten, es war völlig verrückt und unglaublich ambitioniert … und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung hatten wir das Speichersystem gründlich vergeigt. PAH! Das tat weh, aber wir haben es trotzdem verschickt und da es nicht perfekt war, schworen wir uns, dass wir nie wieder die gleichen Fehler machen würden. Bei Abe’s Exoddus haben wir das Problem behoben und sogar eine „Schnellspeicherung” eingeführt, um ein für alle mal klar zu machen, dass wir diesen Fehler nie wiederholen würden.

Was hältst du für das Vermächtnis des Spiels? Wie sollen es die Leute in Erinnerung behalten?
Lorne Lanning: Ich denke, das Spiel hat ganz vielen Leuten gefallen, die sich bei Spielen tiefgründigere und klarer entwickelte Charaktere wünschten, die mehr mit der realen Welt zu tun hatten. Ich war und bin der Auffassung, dass das Publikum eine reichhaltigere Unterhaltung möchte, als es sie bisher bekommt.

Ich habe auch schon von vielen Leuten in der Branche gehört, dass das Spiel sie angeblich dazu inspirierte, selbst Spiele zu entwickeln. Doch ich muss sagen, die tollsten Belohnungen, die man nicht materiell messen kann, waren die herzzerreißenden und inspirierenden Fan-Mails von Menschen, deren Leben durch das Spiel so tief beeinflusst wurde. Es ist unheimlich, welche Auswirkungen das Spiel auf einige Leute hatte, doch genau aus diesem Grund wollte ich diese Spiele machen.

Ich war der Überzeugung, dass die Macht des Mediums einen größeren und hilfreicheren Einfluss haben und den Menschen etwas geben könnte, und zwar in ihrem Leben und ihren Perspektiven auf die verrückte Welt um sie her, die so voller Lügen und Täuschung seitens der Regierungen und Konzerne ist.

Es gab einen Fan, der geschworen hat, dass das Spiel sein Leben gerettet hat. Das war ein 72-jähriger Mann und wir beschlossen, in unserem zweiten Spiel, Abe’s Exoddus, einen Charakter nach ihm zu benennen. Das war Alf Gamble. Als wir seinen handgeschriebenen, seitenlangen Brief lasen … haben wir alle geweint. Der hat uns wirklich umgehauen, denn er war so aufrichtig und hat unser Herz gebrochen.

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