Während wir in Köln noch schweren Fußes von einem Termin zum nächsten hetzten, empfing eines der großen Hotels vor dem Messegelände einen hohen Gast: Heavy Rain-Schöpfer David Cage war angereist um ausgewählten Journalisten sein neuestes Projekt Beyond: Two Souls zu präsentieren.
Ganz kurzfristig bekamen wir die Möglichkeit, ein paar Worte mit dem Mastermind zu wechseln. Haben wir natürlich gerne genutzt. Dieses Interview ist dabei entstanden:
PlayStation.Blog: Bei Quantic Dreams hat man immer schon nach völlig neuen Ansätzen für Videospiele gesucht, Heavy Rain ist das bekannteste Beispiel dafür. Vielleicht kannst du uns zu Beginn ein wenig über die Dinge erzählen, die ihr bei Fahrenheit und Heavy Rain gelernt habt und in Beyond anwenden wollt?
David Cage: Die wichtigste Erkenntnis bei Fahrenheit und Heavy Rain war, dass man Videospiele machen kann, in denen der Held keine Waffe in der Hand hat und seine Hauptaufgabe muss auch nicht im Springen über Plattformen bestehen. Ich erinnere mich daran, als ich dieses Konzept zum ersten Mal bei verschiedenen Publishern erklärt habe. Ich wurde gefragt, was man in diesem Spiel denn machen würde, also sagte ich: “Man trifft Entscheidungen.” Sie haben gefragt: “Und hat man dabei Waffen?” – Nein, man hat keine Waffen. Man fährt auch nicht in Autos herum oder springt auf Plattformen. Sie meinten: “Dann ist es kein Videospiel!”. Das war meistens das Resultat dieser Gespräche.
Als Heavy Rain dann erschien haben mich viele Publisher angerufen und mir gesagt, dass sie jetzt endlich verstanden hätten, was ich gemeint habe. Es ist einfach sehr schwer, dieses Prinzip zu erklären. Ich wüsste heute noch nicht genau, wie ich Heavy Rain erkläre sollte.
Wir haben also gelernt, dass es möglich ist, solche Erfahrungen zu erzeugen. Wir haben gemerkt, dass es einen Markt dafür gibt. 75% der Leute, die Heavy Rain begonnen haben, haben es auch zu Ende gespielt. Im Schnitt werden andere Spiele nur von 28,4% aller Leute, die es angefangen haben, auch zu Ende gespielt. Wir haben den dreifachen Wert erreicht, was einfach nur verrückt ist.
Wir haben außerdem gelernt, dass viele männliche Spieler das Spiel mit ihren Frauen oder Freundinnen gespielt haben und viele meinten, es wäre das erste Mal gewesen, dass sie die Spielerfahrung so geteilt haben. Meistens geht es halt ums Schießen und die meisten Frauen haben daran kein Interesse.
Wir wissen bisher nicht sehr viel über das Gameplay in Beyond: Two Souls. Wird das Spiel wieder viel Neues liefern oder wird es sich sehr nahe an Heavy Rain orientieren?
Nein, es wird sich deutlich von Heavy Rain unterscheiden. Wir wollen auf den Dingen aufbauen, die wir bei Heavy Rain gelernt haben. Wir lieben die Freiheit, nicht auf bloß fünf unterschiedliche Aktionen limitiert zu sein. Wir lieben es, dass der Spieler aus dem Kontext der Story heraus Entscheidungen treffen kann. Wir lieben es, dass der Spieler nicht bloß einen Schlag-Button zum Draufhauen hat. Es muss nicht Horden von Gegnern geben, die in jedem Level auf dich zustürmen.
Wir wollen aber auch ausprobieren, wie man sonst noch mit der Interaktivität spielen kann, wie wir die Interaktivität und das Storytelling noch besser zusammenpressen können. Es geht uns immer darum, neue Ideen auszuprobieren und dabei auch Risiken einzugehen. Erwartet von uns also nicht zwei Mal das selbe Spiel. Wir werden immer neue Dinge ausprobieren.
Es ist vielleicht bloß ein Eindruck, aber man könnte schon glauben, dass insbesondere die Heavy Rain Move Edition viele Entwickler dazu inspiriert hat, ähnliche Dinge zu probieren. Achtest du auf sowas? Versuchst du, neue Standards für die Industrie zu etablieren? Wird Beyond wieder solche Meilensteine liefern?
Nein. Wir machen keine Spiele um den Leuten zu zeigen, was sie tun sollten. So sehe ich meinen Job wirklich nicht. Ich mache einfach die Dinge, an die ich glaube. Wenn andere Leute das inspirierend finden ist das toll. Falls nicht, auch gut.
Wir alle ziehen unsere Inspirationen von anderen Leuten. Ich gebe aber nicht vor, die Industrie oder andere Leute zu inspirieren.
Siehst du dich in erster Linie als Spieldesigner oder als Autor?
Gute Frage. Für mich ist es schwierig, diese beiden Rollen zu trennen. Ich mache jetzt seit 15 Jahren ein und diesselbe Sache, ich schreibe und ich designe. Ich habe das große Glück, mir beim Schreiben gleich vorstellen zu können: So werde ich es später im Spiel aussehen lassen.
Wenn es dann an die Umsetzung geht, weiß ich genau, warum ich es so geschrieben habe, wie ich es geschrieben habe. Das ist eine große Macht, die ich da habe. Ich kann mir beim Schreiben genau überlegen, wie die Worte klingen sollen, wie es gefilmt werden soll, welche Musik dazu passt. Normalerweise muss man sein Skript irgendwann in die Hand anderer Leute legen die sich dann überlegen müssen, wie man es am Besten umsetzen könnte.
Aber was taucht denn zuerst auf? Die Story-Idee oder die Gameplay-Idee?
Ich versuche eigentlich, beides zur gleichen Zeit zu bedenken. Unsere Spiele funktionieren anders auch gar nicht. Beyond ist ein schönes Beispiel dafür. Die Idee von diesem Mädchen mit einer speziellen Verbindung zu einer geheimnisvollen Entität ist sehr spannend. Aus der Sicht der Storywriters fragt man sich, was diese Entität ist, wo sie herkommt, was sie tut.
Gleichzeitig muss man aber die Gameplay-Seite betrachten – wie wird die Entität gesteuert, wie schaltet man zwischen Spielfigur und Entität um… Ein gutes Beispiel dafür, dass man beides, Story und Gameplay, schon in der Konzeption verbinden muss.
Das klingt ein bisschen so, als würde es dich langweilen, bloß ein einfaches Buch zu schreiben, oder?
Nein, das stimmt nicht. Es ist ein anderes Medium. Man verfolgt hier beim Schreiben einen ganz anderen Ansatz. Was bei Beyond wirklich großartig ist, ist die große Freiheit die ich habe. Ich kann alles schreiben was ich will. Gleichzeitig ist es aber auch viel Arbeit – ca. ein Jahr schreibt man daran.
2000 Seiten Skript müssen erstellt werden und ich wünsche mir schon manchmal, dass ich weniger Seiten schreiben müsste und dafür an bestimmten Stellen tiefer ins Detail gehen könnte. Aber vielleicht schreibe ich eines Tages auch ein Buch, wer weiß.
In Heavy Rain gab es keine übernatürlichen Elemente, bei Fahrenheit schon. Jetzt bei Beyond wird es wieder übernatürlich. Warum nutzt du diese übernatürlichen Elemente? Bietet die reale Welt nicht genug Fläche für die Story?
Nein, darum geht es nicht. Ich mag reale Situationen mit einem kleinen besonderen Twist. Dazu muss ich aber auch sagen, dass Fahrenheit und Beyond zwar beide übernatürliche Elemente bieten, trotzdem sind es sehr unterschiedliche Spiele. Als ich Fahrenheit geschrieben habe, habe ich einfach mal drauflos geschrieben ohne wirklich zu wissen, was ich eigentlich tue. Ich wollte nicht wirklich eine Geschichte erzählen, sondern einfach nur mit all diesen mystischen Elementen spielen.
Bei Heavy Rain habe ich damit angefangen, wirklich über Dinge zu schreiben, die mir nahe gehen, inspiriert von Dingen, die mir in meinem Privatleben passiert sind.
Ich glaube, ich habe jetzt meine Stimme als Autor gefunden, indem ich zum Beispiel darüber schreibe, ein Vater zu sein und eine sehr merkwürdige Beziehung zu meinem Sohn zu haben. Bei Beyond ist es ganz genau so. Das Übernatürliche kommt hier natürlich vor, aber es ist eigentlich nur Teil des Hintergrundes. Es ist nicht das zentrale Thema der Geschichte. In Beyond geht es um das Wachsen. Darum, dass man akzeptiert, wer man ist. Wie einen die verschiedenen Schlüsselmomente in einem Leben zu dem formen, was man ist. Es geht auch um den Tod, was sich auf der anderen Seite befindet.
Kommentare sind geschlossen.
5 Kommentare
Loading More Comments