MUBI-Update (15. März 2012)

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Wir haben gerade ein virtuelles Kino mit den Werken von Reha Erdem eingerichtet, in dem von schwarzem Humor bis zur unheimlichen Poesie alles enthalten ist. In den USA erfuhren die meisten Leute zuerst von Erdem, als sein Film Bes Vakit – Times and Winds (der die Auszeichnung als „Best Turkish Film of the Year” sowie den FIPRESCI-Preis beim Istanbul International Film Festival 2006 gewann) zwei Jahre später und kurz vor der Veröffentlichung auf DVD für kurze Zeit in den Kinos zu sehen war. Es handelt sich um „einen Film, verzaubert vom Rhythmus des Alltagslebens in einem abgelegenen, türkischen Dorf”, wie Ed Gonzalez in der Voice schrieb. „Erdem sieht Schmerz und Liebe auf die gleiche Art und Weise, wie er den Mond und die Sonne sieht: als andauernde, erleuchtende Kräfte. Seine Kamera drängt voran, als befände sie sich auf einer Achse und betrachtet die familiären und kommunalen Erfahrungen durch die beeinflussbaren Augen dreier Kinder.”

„Ausgestattet mit dem an Górecki erinnernden, symphonischen Pulsieren des estländischen Komponisten Arvo Pärt wirkt der Film wie eine Version von Victor Erices El espíritu de la colemna – Der Geist des Bienenstocks fürs neue Jahrtausend, obwohl seine Poesie die von Erice übertrifft”, schrieb Michael Atkinson im Jahre 2008. „Man ist nie ganz sicher, was in diesen geheimnisvollen Bildern – oder eher zwischen ihnen – wirklich passiert, da die Charaktere sich nicht offen ausdrücken. Solch eine mysteriöse Form von Poesie hat man auf diese Weise einfach noch nie gesehen.” Michael Guillén erinnerte sich 2007 auf dem Höhepunkt einer seiner exzellenten Zusammenfassungen, dass er zu Tränen gerührt war: „Ich habe einen Kerl bemerkt, der einige Sitze entfernt von mir saß und mich dauernd mit verträumtem Lächeln anstarrte …” Natürlich stellte es sich heraus, dass es Erdem persönlich war.

Erdem erhielt erstmals Preise für sein Filmdebüt Oh, Moon! – A Ay (1989), das auf Festivals in Locarno, Nantes, Moskau, Vancouver und Dünkirchen gezeigt wurde. Der Film erzählt die Geschichte von Yekta, einem elfjährigen Mädchen, das in einem geheimnisvollen, schlossartigen Haus am Ufer des Bosporus lebt und sich in Tagträumen über ihre längst verlorene Mutter verliert.

Erdems zweiter Film Nimm das Geld und hau ab (1999), eine schwarze Komödie über die Macht des Geldes, war der türkische Beitrag des Jahres im Rennen um den Award für „Bester fremdsprachiger Film” bei den Oscars. Ich bin Mutter Angst (2004), auch bekannt unter dem englischen Titel What Is a Human Anyway…, ist eine weitere Komödie, die im heutigen Istanbul spielt und in der „National Competition” des 23. International Istanbul Film Festival tatsächlich den FIPRESCI-Preis gewann.

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2009 erklärte der italienische Journalist Giorgio Gosetti die Entscheidung von FIPRESCI, Erdem den gleichen Preis erneut zu verleihen: „Was Hayat Var – Es gibt ein Leben (2008) hervorstechen ließ, war die Präzision, mit der der Film die Wertvorstellungen einer größeren Bewegung von Filmemachern vor dem Hintergrund des seltsamen Zustands eines Landes vermittelt, das sich im spannenden Übergang von asiatischer Tradition zu europäischer Empfindsamkeit befindet … Die Geschichte beschreibt die Schwierigkeiten der vierzehnjährigen Hayat, die mit ihrem Vater und Großvater am gefährlichen Bosporus unserer Zeit lebt. Ihr Vater besitzt ein kleines Fischerboot, das er für illegale Transporte benutzt. Das Leben der jungen Hayat ist hart und gnadenlos, doch sie leistet Widerstand und verzweifelt nicht – selbst, als sie vergewaltigt wird, selbst, als das Leben ihr zeigt, wie gleichgültig und grausam es sein kann. Dieser Mut und diese Hoffnung gegen alle Widrigkeiten bedeuten für Hayat eine Art Märtyrertum – das dramatische und natürliche Problem dieser modernen Gesellschaft voller Lärm und Wut -, dem sie sich stellt, ohne ihren Glauben an die Liebe, die Menschen oder die Zukunft zu verlieren.”

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