Narrative Director Mary DeMarle spricht über die Konsequenzen der Entscheidungsfreiheit
Corey Brotherson, SCEE:
Kampf oder Heimlichkeit? Tödlich oder nicht tödlich? Plasmagewehr oder Feuerlöscher? Es geht doch nichts über Entscheidungsfreiheit in Videospielen (übrigens: Feuerlöscher, IMMER den Feuerlöscher!) – und mit seiner Vielfalt an Kampf- und Dialogoptionen bietet Deus Ex: Mankind Divided euch davon jede Menge!
Aber in einer Welt, in der Biotechnologie zu einem Molotowcocktail aus Paranoia, gesellschaftlicher Spaltung und Rassismus gemixt wurde, kann das Richtig oder Falsch einer Handlung am Ende viel schwieriger zu erkennen sein, als ihr es anfangs eingeplant hattet. Und genau nach dieser turbulenten Unvorhersehbarkeit strebt Eidos Montreal.
„Seine Wahl … war schlecht.”
„Wir wollten einen Blick auf den Zustand der Menschheit angesichts der Tragödie werfen, die sich am Ende von Deus Ex: Human Revolution ereignet”, sagt Executive Narrative Director Mary DeMarle.
„Als Adam Jensen werdet ihr in den Einsatz gegen Terroristen und ihre Hintermänner geschickt – aber wer sind die wirklichen Terroristen? Werden sie euch wirklich böse erscheinen, wenn ihr auf sie trefft? Und wie wird sich das auf eure Entscheidungen auswirken?”
Zwei Jahre nach Human Revolution hat Protagonist Jensen sich zwar ganz auf seine neuen technologischen Körpermodifikationen eingelassen – aber ihr entscheidet darüber, was er damit anstellt.
„Eine Sache, um die wir uns bemüht haben, ist, dass eure Entscheidungen und deren Konsequenzen über das gesamte Spiel hinweg auf mehreren Ebenen Folgen haben werden”, erklärt DeMarle.
„Manchmal werdet ihr euch ihrer nicht bewusst sein, aber an anderer Stelle müsst ihr euch zwischen zwei spezifischen Möglichkeiten entscheiden, die einen Einfluss auf den Ausgang des Spieles haben werden. Und wie ihr die letzte Mission bewältigt, hängt ganz von euren Entscheidungen im restlichen Spielverlauf ab. Das bedeutet, dass euer Spielerlebnis gegen Ende des Spiels ein ganz anderes sein wird als das anderer Spieler.”
Der Lebensbaum von Mankind Divided
Während es aus der Spielerperspektive großartig ist, frei zu entscheiden, ob Jensen ein charismatischer, cooler Pazifist oder ein Feuerlöscher schwingender Berserker ist, war es für das Haupt-Autorenteam des Spiels eine wahre Mammutaufgabe, dafür zu sorgen, dass ihr all diese Entscheidungsmöglichkeiten habt.
„Als Autor muss man der Szene immer noch einen emotionalen Touch verleihen, der auch Sinn macht, und dabei die verschiedenen Wahlmöglichkeiten des Spielers berücksichtigen”, sagt DeMarle. „Eine dreiminütige Szene kann am Ende aus 30 Seiten Skript bestehen.”
„Wir haben schließlich etwas erschaffen, das wir den „Baum des Lebens” nennen. Er hält alle möglichen Entscheidungen des Spiels fest – und das haben wir in Excel gemacht, was nicht gerade das beste Programm ist, um eine Art Flow-Chart zu erstellen!”, lacht sie.
„Vom Skript-Standpunkt aus betrachtet ist mir jedes Mal, wenn ich zur Finalmission zurückkehren und versuchen musste, mir einen Überblick über alles zu verschaffen, das darauf hinführt, beinahe das Hirn explodiert!”
Ein Upgrade für eure Story
Dank der Fähigkeit des Teams, flexibel mit den Entscheidungen im Spiel umzugehen, ist es DeMarle zudem ein großes Anliegen, dafür zu sorgen, dass es jede Menge Nebenmissionen gibt. Obwohl sie nicht von zentraler Bedeutung für den Plot sind, stellen sie einen wichtigen Teil der Atmosphäre des Spiels dar und verleihen der Hauptmission und Jensens sich entwickelnder Persönlichkeit interessante neue Züge.
„Einige meiner Lieblingsgeschichten im Spiel sind die, die völlig optional sind – obwohl den Spielern eine ganze Menge entgeht, wenn sie sie ignorieren”, sagt DeMarle.
„Einige Nebenmissionen können in 10 Minuten erledigt werden, aber wenn ihr euch Zeit nehmt und euch ein wenig auf Entdeckungsreise begebt, könnt ihr in die tieferen Schichten der Story vordringen und zusätzliche Charaktere treffen.”
„Wir wollten mehr Handlung durch die Umgebung transportieren, wie wir es in Human Revolution getan haben. Wenn ihr also Appartements erkundet, seht ihr hinter ihrem Erscheinungsbild eine ganze Menge kleiner Mikrogeschichten – Dinge wie E-Mails und andere Details, die mit euren Zielen nichts zu tun haben, aber der Welt, in der ihr euch bewegt, mehr Tiefe verleihen.”
Und dann steht ihr vor der endgültigen Entscheidung. Sobald ihr das Spiel beendet habt, könnt ihr ein „Neues Spiel +” starten, in dem ihr von Anfang an einen komplett ausgerüsteten Jensen spielt.
„Wir wissen, dass die ‚Neues Spiel +’-Sache die Handlung total sprengt, aber in diesem Spiel dreht sich alles um Entscheidungen. Also wollten wir dem Spieler die Möglichkeit lassen, auch diesen Aspekt zu erkunden”, lächelt DeMarle.
„Eure Modifikationen im Neuen Spiel + verschaffen euch einen großen Vorteil, denn ihr erhaltet dadurch Zugriff auf Dinge, von denen ihr beim ersten Mal nicht bemerkt hattet, dass sie da sind – besonders, da wir das Spiel im Hinblick auf stärkere Vertikalität entwickelt haben. In einige Gebäude kann man von überall her einsteigen, 360°.”
Deus Ex goes Steampunk?
Egal, wohin sich eure Version von Adam Jensen entwickeln wird – die Zukunft sieht großartig aus, wenn Deus Ex: Mankind Divided am 23. August erscheint – aber DeMarle hat diesbezüglich noch ein paar interessante Infos zu enthüllen.
„Unsere Inspiration entstammt den üblichen Quellen – William Gibsons Neuromancer, das Magazin Scientific America , Artikel über Transhumanismus und ein Buch mit dem Titel „Radical Evolution”. Aber ich habe auch viele tolle TV-Sendungen wie Sons of Anarchy und Breaking Bad gesehen, als ich an dem Spiel gearbeitet habe”, sagt sie.
„Selbst solche Dinge wie The Shining hatten einen Einfluss, denn die Charaktere darin sind so gut ausgearbeitet. Und ich bin ein großer Fan von China Miévilles Werken, die eher in Richtung Steampunk tendieren.”
Würde sie sich überlegen, eine Steampunk-Version von Deus Ex zu erschaffen – komplett mit einem Jensen in Tweed-Jacke?
„Das wäre wirklich cool!”, lacht DeMarle. „Dem wäre ich definitiv nicht abgeneigt! Aber es ist ja eine gemeinsame Arbeit mit dem Team … obwohl ich mir sicher bin, dass Jonathan [Jacques-Belletête, der Executive Art Director] die Idee lieben würde!
„Vielleicht wird es am Ende aber gar nicht Jensen sein … vielleicht ist es dann ja ein völlig neuer Charakter!”
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