Director Takayuki Nakayama spricht über die Herausforderung, die ikonischsten Kämpfer der Serie zu überarbeiten.
Die ikonischen Charaktere sind einer der Gründe, warum Street Fighter so eine langlebige, legendäre Spielereihe werden konnte. Wer daran denkt, wie er einem Gegner das erste Mal Ryus Shoryuken, Guiles Sonic Boom oder Chun-Lis Blitzkick verpasst hat, den überkommt leicht die Nostalgie. In Street Fighter 6 kehren viele der Spielerfavoriten zurück, und das mit neuen Designs, die die etablierten Besonderheiten der Kämpfer entsprechend würdigen. Wir haben mit Capcom darüber geredet, wie alte Street Fighter an neue Looks kamen.
Takayuki Nakayama ist Game Director für Street Fighter 6. Er arbeitet seit 2012 für Capcom und startete seine Street-Fighter-Reise mit Ultra Street Fighter IV. „Am neuen Teil einer alten Reihe zu arbeiten, gab uns die Gelegenheit, das Aussehen aller Charaktere neu zu entwerfen“, so Nakayama-san. „Für uns war es eine regelrechte Herausforderung, den klassischen Charakteren neue Designs zu schenken, die sich deutlich von den bisherigen Designs abheben.“
Einige davon, wie etwa Chun-Li, stellten sich als besonders schwierig heraus: „Es dauerte mehrere Jahre, bis wir das finale Design hatten. Chun-Li zählt schon seit Ewigkeiten zu den repräsentativsten Figuren. Und jeder hat eine andere Vorstellung davon, was ihr perfekter Look ist. Weil sie so beliebt ist, ist den Leuten wirklich wichtig, wie Chun-Li in einem modernen Street-Fighter-Spiel aussehen sollte.
Die RE Engine lässt jedes Charaktermodell auf dem Bildschirm gut aussehen. Bei genauem Hinsehen sieht man sogar die Unterschiede der jeweiligen Muskeln der 18-köpfigen Startriege. Diese Details sind das Ergebnis mühsamer Arbeit eines kleinen Teams des Studios. Um die Muskeln anhand von Alter, Geschlecht und Kampfstil entsprechend realistisch darzustellen, waren unzählige Versuche sowie die Verwendung von 3D-Fotoscans von Personen nötig. Ein Sumoringer wie E. Honda hat beispielsweise ganz andere Muskeldefinition als ein Wrestler wie Zangief.
Aber die Kämpferin, deren Neudesign für die meiste Furore in den sozialen Medien gesorgt hat, war Cammy White, die britische Blondine mit Sexappeal und Schlagkraft, die in Super Street Fighter II ihren ersten Auftritt hatte und seitdem ein jahrzehntelanger Favorit bei den Fans ist.
Damals trug Cammy noch ein Barett und Handschuhe in Rot, ein farblicher Kontrast zum grünen Trikot, das ihre starken Oberschenkel, mit denen sie ihre Gegner bezwingen konnte, in den Mittelpunkt rückte. Die Kombination hieß Delta Red, benannt nach der Elite-Spezialeinheit, zu der Cammy laut Street-Fighter-Setting gehörte, und wurde zu ihrem klassischen Look.
Als 1996 X-Men vs. Street Fighter erschien, trug Cammy dann einen langärmeligen Einteiler mit passender Kappe in Himmelblau, behielt allerdings ihre roten Handschuhe und vor allem die charakteristische Haarsträhne, blonden Zöpfe und Narbe im Gesicht. Das Outfit bekam den Namen „Killer Bee“ und steht für eine Zeit, in der sie als eine seiner „Puppen“ unter dem Einfluss von Bösewicht M. Bison stand und – wie später aufgedeckt wurde –, ein weiblicher Klon von ihm mit dem Großteil seiner DNA war.
In der Welt von Street Fighter 6 hat sich viel verändert. Shadaloo ist zerschlagen und Cammys Rachefeldzug gegen Bison scheint beendet – doch sie kämpft trotzdem weiter, und zwar in einem neuen Outfit. Das glatte Trikot hat sie gegen eine strahlend blaue Jacke und ein bauchfreies Top eingetauscht. Ihre Beine stecken in elastischen Sporthosen: eine praktische Wahl für eine athletische Frau.
„Für Cammy stellt das Ende von Shadaloo einen Meilenstein dar. Sie kann nun ihren eigenen Weg gehen und ein normaleres Leben führen. Dieser neue Look ist alltagstauglicher, während ihr altes Trikot eindeutig ein Kampfoutfit war“, erklärt Nakayama-san. „Im World-Tour-Modus begegnet man ihr das erste Mal in London. Uns war klar, dass ihr klassisches Outfit in diesem Setting seltsam wirken würde. Solche Dinge haben wir beim Entwurf der neuen Kostüme berücksichtigt.“
Besonders bemerkenswert ist die Veränderung von Cammys Frisur. Die langen Zöpfe sind ab, stattdessen trägt sie die Haare nun praktisch kurz. Von den charakteristischen Ponysträhnen hat sie sich allerdings nicht getrennt – sie verwandeln den Kurzhaarschnitt geradezu in einen bedrohlichen Look.
Nakayama-san erklärt die Überlegungen hinter der drastischen Veränderung. „Wir fanden, dass es eine interessante Herausforderung wäre, ihr einen Kurzhaarschnitt zu geben. Schließlich waren ihre Zöpfe ein Schlüsseldetail ihres alten Designs. Während der Entwicklung von Street Fighter V hatten wir die Gelegenheit, die Frisur zu ändern. Wir hatten erwartet, dass Fans negativ darauf reagieren würden, aber die Idee kam gut an, also haben wir sie für Street Fighter 6 übernommen. Die langen Bänder an ihrer Jacke sollen an die abgeschnittenen Zöpfe erinnern. Das ist unser kreativer Versuch, ihre alte Frisur zu würdigen.“
Wie ändert man ein so wichtiges Element wie eine ikonische Frisur und macht den Charakter trotzdem wiedererkennbar?
„Die Silhouette des Charakters ist sehr wichtig“, sagt Nakayama-san. „Wie ihr sicher wisst, ist Cammy im Vergleich mit einigen der großen Charaktere im Spiel eher klein gebaut. Dieses Grundelement wollten wir beibehalten.“
Das Designteam behielt einige Dinge mit Wiedererkennungswert, wie Cammys Handschuhe und Stiefel, um alten Designs treuzubleiben und auch das Gameplay zu unterstützen. „Es muss deutlich sein, wenn bestimmte Angriffe den Gegner treffen. Darum haben wir die Handschuhe gelassen. Beim Verketten von Angriffen ist gut zu sehen, was passiert.“ Die Ringe auf ihren Stiefeln dienen als eine Art Trefferanzeige. Das erleichtert den Kampf visuell beim Spielen.“
Wer den alten Looks nachtrauert, muss aber nicht enttäuscht sein: Viele klassische Kostüme der Langzeitfavoriten sind im Spiel erhältlich, auch Cammys. Hier gibt es einen Blick auf die Outfits:
Das Team hat auch die Gelegenheit genutzt, clevere Details zu implementieren. „Wenn ein Charakter den Balken seiner Drive-Anzeige aufbraucht, wechselt er in den Burnout-Modus. Dann ändert sich seine Kampfhaltung leicht. Cammy nimmt dann eine Haltung ein, die an die neutrale Pose erinnert, die sie auf einer Skizze während der Entwicklung von Super Street Fighter II machte.
Für eingefleischte Fans gibt es noch viele andere Easter Eggs. „Wenn Cammy nach einem Match ihre Siegerpose einnimmt oder in der Charakterauswahl, läuft eine kleine Katze an ihr vorbei. Das ist eine Anspielung auf das Endbild, wenn man ihren Arcademodus in Super Street Fighter II Turbo beendet.“
Da Cammy einen neuen Look hat, liegt es nahe, dass auch ihr Gameplay sich etwas verändert hat. „Cammy ist traditionell ein schwieriger Charakter für die Entwicklung. Man kann ihr nicht so leicht neue Moves geben, weil sie keine übernatürlichen Kräfte besitzt. Und geschossene Moves würden nicht zum Kern ihres Charakters passen. Wir haben unter anderem mit der Idee gespielt, den animierten Film von Street Fighter II als Vorlage zu nehmen.“ Während aufmerksame Spieler einen Move entdecken werden, der auf ihren Auftritt in diesem Film hinweist, hat das Studio gerätselt, wie man ihr eine Distanzattacke geben könnte, die zu ihrem Setting passt.
„Wir haben überlegt, ob wir ihr Granaten zum Werfen geben könnten. Aber das ist einfach nicht ihr Stil, außerdem hätte sich das mit einem anderen SF-Charakter, Rolento, überschnitten. In Street Fighter V war es uns gelungen, ihr existierendes Move-Set zu verbessern. Das haben wir in Street Fighter 6 weitergeführt, sodass sie ihre Spezialattacken ‚hält‘, um den Moves verschiedene Attribute zu verleihen.“
Die Liebe, die in die Charaktere von Street Fighter 6 geflossen ist, wird mehr als deutlich – nicht nur aus Nakayama-sans Worten, sondern auch durch das, was man auf dem Bildschirm sieht. Freut euch auf ein Wiedersehen mit alten Favoriten und erstellt euren eigenen legendären Street Fighter, wenn Street Fighter 6 am 2. Juni 2023 in den Ring steigt!
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