Hier erzählt euch der Localisation Producer, warum das Spiel bei uns mit zwei unterschiedlichen Versionen der Story veröffentlicht wird
Scott Strichart, Localisation Producer
„Ich möchte eine Spur mit englischen Untertiteln, die zu dem passen, was die englischen Sprecher sagen – aber darüber hinaus möchte ich eine zweite Spur mit englischen Untertiteln, die die japanische Tonspur wiedergeben. Lässt sich das machen?” Diese Frage stellte ich einem Raum voller japanischer Entwickler bei einer Telekonferenz.
Für einen Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte, war es vollkommen still. Ich hatte offensichtlich für einige Verwirrung gesorgt.
„Das könnten wir schon machen, aber … warum?”
Ich heiße Scott Strichart. Ich bin Localisation Producer für die Yakuza-Reihe und erzähle euch heute, warum unser brandneues Spiel Judgment nicht nur in zwei Sprachen vertont wurde, sondern auch zwei unterschiedliche englische Untertitelspuren besitzt (mal ganz abgesehen von den Untertiteln in Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch).
Vor ungefähr 13 Jahren haben wir schon einmal eine englische Vertonung eines Yakuza-Spiels probiert. Wir konnten ein paar wirklich großartige Sprecher ins Boot holen, aber trotzdem kam die Synchronisation leider nicht so richtig gut an. Seitdem haben wir uns auf die japanische Tonspur beschränkt. Doch da in Judgment vollkommen neue Charaktere auftreten, dachten wir uns, das wäre der perfekte Zeitpunkt, um der englischen Synchro eine zweite Chance zu geben. Natürlich könnt ihr das Spiel weiterhin auch auf Japanisch genießen, wenn euch das lieber ist.
Aber was ich euch eigentlich erzählen wollte: Egal welche Sprache ihr für die Tonspur wählt, ihr bekommt englische Untertitel, die speziell auf diese Sprache zugeschnitten sind. Das hat vor uns noch kein Spiel gemacht.
Vielleicht hab ihr auch schon einmal beim Spielen eines synchronisierten Spiels die japanische Originaltonspur ausprobiert und dabei festgestellt, dass einfach die Untertitel für die englische Tonspur eingeblendet wurden – selbst wenn diese ganz offensichtlich in Länge und Intensität kein bisschen zur japanischen Tonspur passten?
Auf Englisch nennt man solche Untertitel „dubtitles” und sie sind die Folge davon, dass Englisch – aus durchaus nachvollziehbaren Gründen – meistens als Hauptsprache verwendet wird, während die japanische Tonspur eher ein Bonusfeature für Hardcore-Fans und Liebhaber ist. Aber bei einem Spiel, das so tief in der japanischen Sprache und Kultur verwurzelt ist wie Judgment (und die gesamte Yakuza-Reihe), kam ein solcher Kompromiss für mich nicht infrage.
Also haben wir die gesamte Story zweimal lokalisiert. Das hat mich einiges an Überzeugungsarbeit gekostet. Zum Glück konnte ich ein paar ziemlich bekannte Filme als Beispiele anführen, die sich dieser Methode bedient haben, und auch eine Reihe von Animes bei Streaming-Anbietern. Warum also sollte das bei einem Spiel nicht gehen?
Tja, die naheliegende Antwort auf diese Frage lautet: weil Videospiele viel mehr Text haben. An dieser Stelle möchte ich noch einmal wiederholen, was ich eingangs gesagt habe, damit die Bedeutung dieses kleinen Satzes nicht untergeht: Wir haben die gesamte Story zweimal lokalisiert.
Im Grunde haben wir eine Basisübersetzung angefertigt und diese anschließend in zwei Richtungen ausgearbeitet, einmal für die japanische und einmal für die englische Tonspur. Die japanische Version wurde genauso bearbeitet wie bei den Yakuza-Spielen: Jede Zeile genau anhören und dann die Dialoge entsprechend anpassen.
Das englische Skript haben wir dagegen gezielt für die englischen Sprecher umgeschrieben – wobei wir vor allem versucht haben, Formulierungen zu wählen, die auf Englisch glaubwürdig und natürlich klingen. Manchmal sind diese zwei Versionen absolut identisch! Aber an anderen Stellen unterscheiden sie sich maßgeblich voneinander.
Beide Sprachen haben einen ganz eigenen natürlichen Rhythmus und das haben wir uns zunutze gemacht, um die individuellen Stärken beider Sprachen zum Vorschein zu bringen -ohne die englische Version in die japanische Satzstruktur zu zwängen und ohne der japanischen Synchro „Dubtitles” zu verpassen, bei denen selbst ein Laie merkt, dass Tonspur und Untertitel nicht zusammenpassen.
Auf diese Weise konnten wir Sequenzen wie die folgende inszenieren, die auf unterschiedliche Weise zum selben Ziel kommen. In der japanischen Version lautet die vorangegangene Zeile „Fair warning…” (also „Ich warne dich …”), auf Englisch dagegen „You still wanna sue?” („Willst du mich immer noch anzeigen?”).
Die Drohung wird zweimal unterschiedlich inszeniert, aber am Ende kommt Yagami in beiden Versionen wie ein harter Hund rüber – und das ist genau das, was wir erreichen wollten. Wenn ihr euch die beiden Trailer anseht, die wir vorbereitet haben, werden euch bestimmt noch weitere kleine aber feine Unterschiede auffallen.
Keine Sorge, die englische Version ist natürlich trotz allem eine werksgetreue Lokalisierung der Story und die Untertitel für die japanische Tonspur lesen sich genauso gut, wie ihr es von den Yakuza-Titeln gewohnt seid. Ich gehe davon aus, dass langjährige Fans der Serie von Beginn an auf Japanisch spielen werden, während andere wahrscheinlich lieber die englische Version wählen, weil sie diese Sprache besser beherrschen – aber ich hoffe von ganzem Herzen, dass ihr spätestens nach dem ersten Spieldurchgang auch die andere Sprachversion mal anspielt! Ihr werdet ohnehin einen zweiten Durchgang benötigen, um alle versteckten Katzen zu finden.
Wir sind überzeugt, hier eine wirklich monumentale Leistung in Sachen Spielelokalisierung abgeliefert zu haben und wir würden uns unheimlich freuen, von euch zu hören, wie euch das Ergebnis gefällt, denn eines kann ich euch sagen: Es war nicht einfach! Ich hoffe, dass unser Ansatz zahlreiche Nachahmer inspiriert und dass dadurch irgendwann die ganze Debatte rund um Untertitel und Synchronisation ein Ende findet. Beides sind absolut legitime Wege, um mediale Inhalte zu erleben – vorausgesetzt, sie werden mit der gebotenen Sorgfalt umgesetzt.
„Das könnten wir schon machen, aber … warum?” hatte das Entwicklerteam gefragt.
„Weil das der einzig richtige Weg ist”, war meine Antwort.
Judgment erscheint am 25. Juni für PlayStation 4 mit japanischer und englischer Tonspur sowie Untertiteln auf Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch und Spanisch (alle basierend auf der japanischen Tonspur). Alle im Einzelhandel erhältlichen Exemplare enthalten ein Wechselcover und einen Sticker des Ryu Ga Gotoku Studios. Vorbesteller der digitalen Version erhalten ein statisches Design und Vorabzugriff auf das Spiel. Vielen Dank euch allen!
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