Wir reisen durch die ersten Kapitel eines atemberaubenden RPGs und treffen auf tolle Charaktere, angeführt von einer charmanten Heldin.
Wenn ihr schon immer auf ein Spiel im Kinderbuch-Stil gewartet hat, dann lauschet nur her. Denn Child of Light ist hier, das gefällt uns sehr. Unser amerikanischer Kollege Ryan Clements konnte dieses bezaubernd schöne Spiel ausprobieren und erzählt euch wie es war und warum wir ein bisschen gereimt haben.
Ryan Clements, SCEA:
In einem dunklen Wald, vor einer zerfallenden Statue, trifft Aurora auf ihren ersten Gegner in Child of Light. Als dieser in Richtung des kleinen Mädchens kreischt, hievt sie ihr übergroßes Schwert mit uneingeschränktem Selbstvertrauen in die Luft. Sie ist völlig unbeeindruckt von seinem Spinnenkörper und seinem bedrohlichen Gang. Dieses Aufeinandertreffen zeigt Child of Light in seiner reinsten Form: unerschrocken, wunderschön und den Erwartungen widersprechend. Es handelt sich um ein PS3 und PS4 RPG, das einerseits das traditionelle RPG feiert, andererseits aber auch einen ganz eigenen, neuen Weg bestreitet.
Als ich letztes Jahr zum ersten Mal über Child of Light geschrieben habe, ist Aurora schon in ihr Abenteuer in der zauberhaften Welt von Lemuria rein gesegelt. Diese Woche hatte ich die Gelegenheit, die ersten beiden Stunden ungestört zu spielen. Das Ergebnis: Eine unerschütterliche, emotionale Verbindung zu Aurora und ihrer Reise. Das Team von Ubisoft Montreal hat eine herzerwärmende Story mit liebevollen Details geschaffen, die sowohl jüngere als auch ältere Spieler anspricht.
Schon Auroras Ankunft in Lemuria ist dramatisch. Sie ist die Tochter eines österreichischen Herzogs, ist erkrankt und wacht in einem unbekannten Wald auf. Ihres Vaters beraubt und von Gefühlen überwältigt, vereint sie sich bald mit einer charmanten kleinen Flamme, einem Glühwürmchen, Igniculus, von Aurora “Sir Firefly” genannt. Er führt sie zu einem Hellseher und Mystiker, der ihr sagen kann, wie sie wieder nach Hause kommt.
Aber Abenteuer sind selten so einfach und Aurora bekommt die Aufgabe, die Sonne, den Mond und die Sterne zu finden, die von der schwarzen Königin vom Himmel gestohlen wurden. Wenn sie dem Land das Licht zurück bringt, kann Aurora vielleicht nach Hause zurückkehren und wieder bei ihrer Familie sein, also ist sie gezwungen, in die Rolle der Heldin zu schlüpfen.
“Child of Light weist eine seltene Schönheit auf, die zu gleichen Teilen ätherisch und vertraut ist”
Untypischerweise für einen JRPG Hauptcharakter nimmt sich Aurora ihrer neuen Aufgabe überraschend schnell an. Sie schreitet ohne eine Spur kindlicher Angst und ohne zu zögern voran – eine erfrischende Abweichung von der Norm. Obwohl Child of Light rundenbasierte Kämpfe und Gefährten enthält, weicht es oft von typischen RPG Elementen ab oder belebt sie auf clevere Weise.
Falls oben genanntes das noch nicht deutlich gemacht hat: Child of Light weist eine seltene Schönheit auf, die zu gleichen Teilen ätherisch und vertraut ist. Die UbiArt Framework sorgt dafür, dass jede Szene und jeder Charakter großartig aussieht, von jammernden Gespenstern über vergoldete Wände. Die Schichten der Hintergründe geben jeder Umgebung eine immense Tiefe, mit herumfliegenden Vögeln und der Silhouette eines Riesen, der sich schwerfällig am Horizont entlang bewegt.
Alle Wörter in Child of Light, von der Erzählung über die Dialoge (sogar die Zielvorgaben) sind in verschiedenen Reimformen geschrieben. Das gibt Child of Light die Qualität eines Bilderbuchs – obwohl es sehr witzig ist. Aurora und Igniculus rekrutieren zum Beispiel eine Närrin für ihre Gruppe, die anscheinend einfach nicht reimen kann und sie müssen zusammen ihre Fehler korrigieren.
Das geschickte Spiel mit Wörtern ist aber nicht immer komisch. Als sie an einem Friedhof vorbei kommen, bemerkt Igniculus: “Wissen die das denn nicht? Steine wachsen nicht, wenn man sie in die Erde pflanzt.” Ein herzerweichender Ausschnitt, der vor einem ungemütlichen Hintergrund die Unschuld und Naivität des Glühwürmchens zeigt.
Es gibt abgesehen von dem unsichtbaren Erzähler keine gesprochenen Dialoge, der Zauber von Child of Light wird dank exquisiter Musik erzeugt. Das Audio Team nutzt mit viel Liebe lange Klaviermelodien. Sie passen sich im Rhythmus von Auroras Reise an, verfolgen den Spielern mit spärlichen Akkorden oder bauen mit Solos Spannung auf. Die Musik erinnert an Yann Tierses makelloser Arbeit 2001 am Amelie Soundtrack (Child of Light Creative Director Patrick Plourde erwähnte mir gegenüber den Film, als wir uns das erste Mal trafen, deshalb musste ich daran denken…).
Je länger sich die Spieler mit dem Kampfsystem von Child of Light befassen, desto mehr Feinheiten zeigen sich. Das System an sich ist einfach und rundenbasiert, aber die Finesse bezüglich des Timings geht sehr viel mehr in die Tiefe. Es ist eine wahre Kunst, den richtigen Moment für den Angriff abzuwarten, die Attacke des Gegners zu unterbrechen und für Auroras Sicherheit zu sorgen. Igniculus kann die Gegner blenden und so ihre Runde verzögern, was euch mehr Kontrolle über den Kampfverlauf gibt. Ein anderer Spieler, sei es ein Kind, Geschwister oder der Partner bzw. die Partnerin kann Igniculus steuern und eine einfachere (aber nicht weniger strategische) Rolle übernehmen.
Mit Levelaufstiegen bekommen Aurora und ihre Gefährten Skill Points, die dazu genutzt werden können, zusätzliche Fähigkeiten in einem verzweigten System freizuschalten. Habt ihr euch neue Fähigkeiten verdient, habt ihr Zugriff auf den nächsten Zweig, das gibt den Spielern mehr Freiheiten, bezüglich dessen, wie sich die Helden entwickeln sollen.
Durch all das baut der Spieler eine Verbindung zu Aurora auf, die so ziemlich die charmanteste RPG Heldin der letzten Zeit ist. Die emotionale Resonanz, zusammen mit den großartigen Texten, verspricht, die Spieler auch in ein paar Jahren noch von Zeit zu Zeit zurück zu holen, um eine kleine Spielsitzung einzulegen.
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