Ein paar Tage ist es her, das ich mich mit Mie Kumagai über Virtua Tennis 4 unterhalten hatte. Jetzt stehe ich in meinem Wohnzimmer und mustere kritisch die Einrichtung. Hinter mir die Wand, gut einen Meter entfernt. Die Couch habe ich zur Seite geschoben, bis zur Wand auf der anderen Seite habe ich jetzt ungefähr zwei Meter in der Breite Platz. Bleibt noch der Wohnzimmertisch vor mir. Er steht gut 1,5 Meter entfernt. Das sollte reichen. Ich lasse den Klipp am Band meines PlayStation Move einrasten – Es ist alles vorbereitet für das erste Tennismatch in meinem Leben.
Ich will das Profi-Feeling erleben (außerdem leide ich an chronischer Selbstüberschätzung), also wähl ich den härtesten Schwierigkeitsgrad. Nadal… den Namen kenn ich. Gut! Aber Moment, er ist Linkshänder. Egal, er wird sich nach mir richten müssen. Jetzt noch den Gegner auswählen. Sharapova sieht wirklich hübsch aus, aber ist Andy Murray nicht dieser Typ, der so oft ausrastet? Ich mag Hitzköpfe. Wahrscheinlich verwechsel ich ihn, aber egal, ich will jetzt spielen.
Der erste Aufschlag, ich bin jetzt mitten im Spiel. Ich dresche auf den virtuellen Ball als hätte er meine PlayStation geklaut. Immer wieder will ich ihn mit aller Gewalt einfach nur ins gegnerische Feld schlagen. Doch Murray ist tough! Als gäbe es nichts leichteres für ihn, kommt der Ball immer wieder zu mir zurück. Was soll ich tun? Meine Kondition lässt jetzt schon nach, ich spüre, dass ich morgen Muskelkater in Brustkorb und Oberarm haben werde. Plötzlich verrutscht mir der Motion Controller in den schwitzigen Händen und neigt sich leicht nach vorne. Ich traue meinen Augen kaum, der Ball nimmt jetzt einen ganz anderen Spin auf, dreht sich merkwürdig in Murrays Feld.
Der Amerikaner hat Mühe, offenbar war die neue Schlagtechnik für ihn auch unerwartet. Trotzdem kommt der Mistkerl irgendwie an den Ball. Anstatt ihn mir wie gewohnt mit voller Wucht um die Ohren zu knallen, haucht er ihn aber nur an. Ganz knapp hinter dem Netz kullert das gelbe Ding in mein Feld. Ich bin inzwischen völlig nassgeschwitzt, meine Augen brennen, weil Schweiß hineingelaufen ist. Ich sehe nichts, weiß aber, dass ich irgendwie ans Netz muss. Mir erscheint es naheliegend, dass ich wohl am Besten nach vorne laufe. Also hechten meine Beine auseinander, ich drücke mich mit dem Hinterhuf ab und… ARGH!!! SO EINE SCH… Der Wohnzimmertisch. Von wegen das reicht… Während ich mich vor Schmerzen krümme, sehe ich einen kleinen gelben Ball der höhnisch an mir vorbeikullert. Andy Murray grinst sich einen. Ich hätte wirklich Sharapova auswählen sollen…
Ein Tennisspiel ist eine der naheliegendsten, aber auch eine der interessantesten Anwendungsmöglichkeiten für den PlayStation Move – und doch hat dieses Spiel noch so viel mehr zu bieten. Erst war ich ein wenig enttäuscht, als Kumagai mir damals im Gespräch eröffnete, dass die Move-Anwendung nur auf einen eigenen Modus beschränkt sein würde. Das eigentliche Gameplay im Karrieremodus böte so viel mehr Tiefe. Ich verstehe zu wenig vom Tennis, um das wirklich fachgemäß beurteilen zu können. Nach wenigen Bällen im massiv aufgemotzten Karrieremodus weiß ich aber:
Der PlayStation Move macht unglaublich viel Spaß und bietet eine Tennis-Erfahrung die viel von diesem Wunsch beinhaltet, die reale Erfahrung des Sports auf eine BluRay Disc zu bannen. Wer aber versteht, was eine Strategie im Tennis bedeutet, wie man seinen Gegner mit komplizierten Schlagvariationen aus dem Konzept bringen kann, der wird erst mit dem normalen Controller im Karrieremodus richtig in Virtua Tennis 4 aufgehen. Das tiefe und gut durchdachte Gameplay wird durch viele nette kleine Features auf und nebem dem Platz unterstützt.
Der Spieler trifft Entscheidungen, die er sonst vielleicht nur in einem RPG erwarten würde. So muss er sich vor einem Match plötzlich nicht mehr nur fragen, ob man spielerisch genug drauf hat, man muss auch sicherstellen, dass man dem Gegner mental gewachsen ist.
Virtua Tennis 4 bietet eigentlich zwei Spiele: Eingefleischte Tennis-Fans werden sich stundenlang im Karrieremodus aufreiben, bevor sie alle Features entdeckt und alle Turniere gewonnen haben. Die andere Zielgruppe war vielleicht noch niemals auf einem echten Tennisplatz und wird erstaunt sein, wie direkt und intuitiv dieses Spiel funktioniert.
Mein Schienbein hatte sich übrigens bald wieder erholt – den Muskelkater spüre ich aber heute noch…
Kommentare sind geschlossen.
4 Kommentare
Loading More Comments