Wovor hast DU Angst?

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Wovor hast DU Angst?

In Until Dawn wird euch Supermassive Games ordentlich das Fürchten lehren. Wie die Entwickler das angestellt haben, erklärt ein Angstexperte.

Was jagt dir Angst ein: Spinnen, Ratten, Schlangen oder doch eher Zombies? Welches Mitglied aus der Clique von acht Freunden magst du, welches kannst du auf den Tod nicht ausstehen? Die Sequenzen in Until Dawn, in denen sich der Psychiater Dr. Hill direkt an den Spieler richtet, lassen dich ins Grübeln kommen. Vermeintlich harmlose Fragen verursachen ein ungutes Gefühl, jetzt einfach alles falsch machen zu können. Antwortet ihr ehrlich, tauchen dann mehr Schlangen oder Ratten in dem Spiel auf? Und wenn ihr einfach lügt, erkennt das euer Gegenüber? Die süffisante Mimik und der durchdringende Blick der Spielfigur, dargestellt von Ausnahmeschauspieler und Filmbösewicht Peter Stormare (Fargo, The Last Stand), scheinen keinen Zweifel daran zu lassen, dass euch das Spiel durchschaut. Dass ihr mit euren geheimsten Ängsten konfrontiert werdet, auch wenn ihr meint, ihr könnt mit euren Antworten die Spielintelligenz überlisten.

Until Dawn

Laut Dr. Lars Robert Krautschick ist das nur einer der genialen Tricks, mit denen euch Supermassive Games in Until Dawn zusetzt. Wir haben uns mit dem promovierten Kulturwissenschafter und ausgewiesenen Angstexperten darüber unterhalten, wie es ein Videospiel schafft, so richtig an die Nieren zu gehen.

Nichts ist vorhersehbar

Krautschick, der seine Dissertation über den Horrorfilm geschrieben hat, ist hart im Nehmen. Nach dem wissenschaftlich notwendigen Konsum von hunderten Filmen aller gruseligen Subgenres, vom leisen Suspense-Thriller bis zum knallharten Ekelhorror, kann ihn nach eigenen Angaben nichts mehr überraschen oder gar erschrecken. Das Until Dawn den Experten trotzdem fesselte und mehr als nur einmal deftig schockte, darf als Kompliment aufgefasst werden.

Until DawnUntil DawnUntil Dawn

Einer der Gründe dafür ist es, dass die Autoren von dem Standard-Aufbau einer Horrorgeschichte abweichen. Zu Beginn scheint eigentlich alles vorhersehbar: Acht Jugendliche sind in einem einsamen Waldgebiet, ohne Handy-Empfang und völlig abgeschnitten von der Umwelt. Ein Killer lauert in den Schatten und einer nach dem anderen macht die Bekanntschaft mit seinen Mordwerkzeugen. Reine Teenie-Slasher Routine, kennt man doch alles. Aber so einfach machen es euch die Indie-Horrorfilm-Autoren Larry Fessenden und Graham Reznick nicht. Falsche Spuren, immer neue Geheimnisse, und in jeder Episode halten die Spielemacher handfeste Überraschungen für euch bereit, die ihr garantiert nicht habt kommen sehen.

Until Dawn bietet das volle Horror-Programm

Until Dawn

Aber wie genau erzeugt ein Videospiel nun Angst? Indem es die volle Bandbreite an Möglichkeiten bietet, erklärt uns Dr. Krautschick. Es kommt alles zum Zuge, was das Grusel-Genre aufzubieten hat. Jump Scares, bei denen urplötzlich ein Mensch oder Tier auftaucht, untermalt von lautem Musikeinsatz. Eine Methode die allerdings nicht zu häufig eingesetzt werden darf, damit es nicht zu einem Gewöhnungseffekt kommt. Es werden Informationen vorenthalten und nur Bruchstücke von Geheimnissen angeboten. Dadurch malt ihr euch Dinge in eurer Fantasie aus und eure Urängste kommen ganz von allein an das Tageslicht. Es wird räumliche Desorientierung durch ungewöhnliche Kamerawinkel und fehlende Beleuchtung erzeugt. Könnt ihr euch nur im Schein einer Kerze oder Taschenlampe orientieren und die restliche Umgebung ist in flackernde Schatten getaucht, bekommt ihr automatisch ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Und es wird mit Stress gearbeitet. In Quick Time Events sollt ihr durch den Druck auf die richtige Taste bei einer Flucht Hindernisse überwinden oder schwerwiegende Entscheidungen in Sekunden fällen. Dieser Zeitdruck erzeugt Stress, ein Zustand der mit Schweißausbruch, schnellerem Herzschlag oder auch Gänsehaut, den biologischen Anzeichen von Angst gleichen. Zum ausgefeilten Gesamtpaket gesellen sich die episodenhafte, nichtlineare, Erzählweise, sowie richtige fiese Cliffhanger. Until Dawn erweist sich dabei laut Krautschick als ultimativer Genre-Mix aus Suspense, Slasher und Splatter, der auch nicht mit Filmzitaten spart. Psycho, Es, Ring 2, Saw, Cabin in the Woods: Wenn ihr ein Fan von Horrorfilmen seid, dürft ihr gerne mal mitzählen, wie viele Kultwerke verewigt wurden.

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Der Schmetterlingseffekt

„Von großer Bedeutung ist es, dass eine Beziehung zu den Spielfiguren aufgebaut wird. Kann man sich in einen Charakter hineinversetzen, ihn mögen oder auch hassen, dann nimmt man auch Anteil an seinem Schicksal”, sagt Dr. Krautschick. Keine leichte Aufgabe, wenn ihr es anfangs mit acht anscheinend stereotypen Teenagern zu tun bekommt. Die Lösung: Ihr entscheidet selbst wie sich eine Figur entwickelt. Ob die nervige Zicke oder der hormongesteuerte Macho sich im Verlauf der Geschichte zu differenzierten und interessanten Charakteren wandeln, liegt allein an euren Entscheidungen. Ihr beeinflusst das Verhalten der gerade aktiven Spielfigur und sorgt mit euren Handlungen und Wahl der Dialogoptionen für eine Weiterentwicklung und verändert mit jeder Entscheidung auch das Verhältnis der Freunde zueinander. Dazu werden euch hunderte von Wahlmöglichkeiten gegeben, die einen mehr oder weniger großen Einfluss auf die Geschichte haben.

 

Hier kommt der Schmetterlingseffekt ins Spiel. Dieser besagt, dass selbst eine winzige Aktion, beispielsweise der Schlag eines Schmetterlingsflügels, zu einem späteren Zeitpunkt eine ungeahnte Auswirkung haben kann. Gemeinerweise werden euch solche maßgeblichen Entscheidungen erst nach dem ihr diese gefällt habt, als ein solcher Schmetterlingseffekt angezeigt. Ob mit einer anderen Wahl alles anders gelaufen wäre, erfahrt ihr nur in einem weiteren Spieldurchgang, denn das automatische Speichersystem von Until Dawn ist unerbittlich und eure getroffene Entscheidung nicht umkehrbar.

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